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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Völker und davon, wie wichtig es sei, sich in einem guten und verständnisvollen Geist zu begegnen, und so weiter.
    Carl wies den Dolmetscher an, die Begrüßung mit ähnlichen Worten zu erwidern, und nahm Platz. Der in doppelter Hinsicht gewichtige Russe achtete nicht auf die heruntergeleierten Worte des Dolmetschers.
    Die Sekretärin tauchte in einer Seitentür auf und brachte Tee und Kekse, die sie auf der Ecke des großen Konferenztischs abstellte.
    »Angesichts Ihres Hintergrunds«, sagte Jewgenij Primakow nach einiger Zeit, während sie mit Tee und Zucker hantierten und sich gegenseitig Schalen mit Keksen zuschoben, »angesichts Ihres Hintergrunds, Herr Kapitän, gehe ich davon aus, daß Sie noch nicht hiergewesen sind. Wären Sie schon mal hiergewesen, dann nur als einer unserer Spione, und dann hätte ich es in meiner jetzigen Funktion unzweifelhaft gewußt.«
    Die eintönige, leiernde Stimme stand in auffälligem Kontrast zu der vermutlich scherzhaften Ausdrucksweise. Carl war sich dessen zwar nicht sicher, beschloß aber, auf den scherzhaften Ton einzugehen.
    »Wie wahr, wie wahr, Genosse General. Ebenso hätte ich es gewußt, wenn Sie einer unserer Spione gewesen wären«, erwiderte er und ahmte dabei den Tonfall des massigen Russen nach. Doch als die Übersetzung beendet war, folgte als Antwort nicht mal die Andeutung eines Lächelns, sondern nur eine kurze förmliche Darstellung. Sie lief darauf hinaus, daß die Führung des Landes beschlossen habe, nach der schweren Stunde, welche die Sowjetunion durchlitten habe, sowohl die Nachrichtendienstwie die Sicherheitsorgane zu reformieren. Dabei habe er, Jewgenij Primakow, der er früher in der Außenpolitik tätig gewesen sei, die Verantwortung für das übernommen, was künftig Zentraler Nachrichtendienst heißen werde.
    »Ja, wir im Westen haben uns schon immer gefragt, warum Sie diese Reform nicht schon längst durchgeführt haben«, erwiderte Carl kühl. »Es kann verwaltungsmäßig ja nicht sehr praktisch gewesen sein, alle Tschekisten mit allen Raswedtschiks in einen Topf zu werfen. Ich selbst bin ja Raswedtschik, und unsere eigenen Tschekisten genießen nicht den besten Ruf. So ist es in allen Ländern, die ich kenne, und so dürfte es auch hier gewesen sein.«
    Er hatte sich entschlossen, nicht den ersten Schritt zu tun. Das tat man in Rußland einfach nicht. Der Ranghöhere bestimmte, wann dummes Zeug geredet wurde und wann man zur Sache kam. Jewgenij Primakow, den Carls leichtsinnige Plauderei offenbar nicht im mindesten amüsierte, wie zumindest seinem barschen Grunzen zu entnehmen war, als er die Übersetzung hörte, beschloß jetzt, zur Sache zu kommen. Mit steinerner Miene leierte er eine lange Ansprache herunter, ohne auch nur einmal zu stocken oder den Tonfall zu verändern. Er sprach ein wenig undeutlich. Es fiel Carl schwer zu folgen. Er mußte die Übersetzung abwarten, um sicher zu sein, daß er das Ende richtig gehört hatte:
    »Bei allem Respekt, Genosse Kapitän, um der Sicherheitsinteressen Ihres Landes willen sollten wir uns jetzt vielleicht der Frage nähern, warum die Regierung Ihres Landes eine so außerordentlich ungewöhnliche Form der Kontaktaufnahme gewählt hat. Wollen Sie so freundlich sein, mir das zu erklären?«
    Carl holte tief Luft. Jetzt fuhr der Zug ab.
    »Die Regierung meines Landes hat mich in der Absicht hergeschickt, mit dem Präsidenten der Sowjetunion persönlich Kontakt aufzunehmen«, begann er und überlegte kurz, ob er eine höfliche oder direkte Fortsetzung wählen sollte. Er entschied sich für eine direkte.
    »Die Regierung meines Landes hat mich ferner angewiesen, Sie um Ihre Hilfe zu bitten, damit ein solches Zusammentreffen stattfinden kann.«
    Jewgenij Primakow biß sichtlich die Zähne zusammen, als er die Übersetzung hörte. Es sah aus, als müßte er einen Wutausbruch zügeln. Aber er sprach wieder in dem gleichen leiernden Tonfall.
    »Und wenn Sie jetzt mit dem höchsten und verantwortlichen Leiter der raswedka sprechen, würde das nicht genügen? Warum sollen wir eine Person mit Ihrem ganz speziellen Hintergrund allein zu dem Präsidenten unseres Landes lassen? Ist es das, was Sie vorhaben?«
    Carl unterdrückte den Impuls, sich ironisch über die wenig wahrscheinliche Möglichkeit zu äußern, er wolle Gorbatschow ermorden. Er entschied sich schnell für eine sanftere Antwort.
    »Genosse General, die Regierung meines Landes hat mich auch angewiesen, mich mit Ihnen direkt zu beraten, falls Sie

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