Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
den langen Raum und bauten sich wie zwei Kadetten vor dem Schreibtisch auf, hinter dem Jewgenij Primakow schon in seinen Sessel gesunken war. Sie sahen sich gezwungen, eine Zeitlang stillzustehen und zu warten, während der unverkennbar ranghöhere Mann die Brille abnahm und sich die Augen rieb. Auch er hatte rote Augen, wenngleich nicht erkennbar war, ob wegen der Umweltverschmutzung oder aus eher persönlichen Gründen. Er dachte gut eine halbe Minute nach, bevor er sich wieder die Brille aufsetzte.
    »Lassen Sie uns einmal annehmen«, begann er, »daß der Präsident der Sowjetunion diese Mitteilung von einer Angelegenheit, die wichtiger ist als alles andere und dazu eine Angelegenheit, über die der Präsident der Republik Finnland schon informiert ist, denn so war es doch, für so erhellend ansieht, daß er ein Zusammentreffen mit Ihnen bewilligt, Herr Kapitän. Nehmen wir das einmal an. In diesem Fall geht es natürlich um eine sehr sensible Frage?«
    »Ja, selbstverständlich«, erwiderte Carl auf russisch.
    »Nun, dann haben wir ein Problem. Sie sollten eine, sagen wir, offizielle Beschäftigung hier haben, irgend etwas, was Ihre Anwesenheit erklärt. Haben Sie dazu einen eigenen Vorschlag?«
    Carl gab dem Dolmetscher ein Zeichen, er solle übersetzen, bevor er antwortete. Er wollte sich zusätzliche Bedenkzeit schaffen, aber es fiel ihm trotzdem nichts Geeignetes ein. Er schüttelte bedauernd den Kopf.
    »Nun, aber irgend etwas müssen wir finden«, brummte der Spionagechef, »etwas, was nicht allzu weit hergeholt klingt. Sagen wir, Sie sind hier, um das ehemalige KGB zu besuchen und die Gruppe zu treffen, die, nein, lediglich die Gruppe zu treffen, die an dem Fall Raoul Wallenberg arbeitet. Sie wissen schon, Ihr verschwundener Landsmann. Was meinen Sie? Wäre Ihnen das recht?«
    »Ja, ohne jeden Zweifel«, erwiderte Carl. »Vor allem, wenn es mir gelingen könnte, mit etwas Neuem und Konkretem im Gepäck nach Hause zu fahren.«
    Damit waren er und sein Begleiter erneut entlassen, wurden aber wiederum aufgehalten und zurückgerufen.
    »Oberst Duchanin hier wird für Ihr Programm zuständig sein«, sagte der Spionagechef und widmete sich dann demonstrativ den Papierstapeln auf seinem Schreibtisch. Nur seine Hand winkte zum dritten und letzten Mal: Sie konnten gehen.
    Åke Stålhandske war unmotiviert guter Laune. Im Grunde wußte er, daß er keinen Anlaß hatte, sich so wohl zu fühlen, daß er sich ähnliche Illusionen machte, wie er sie Anna vorgegaukelt hatte. Sie würden noch vor Weihnachten heiraten, hatten sie gesagt. Todsicher noch vor Weihnachten, um dann gemeinsam verreisen zu können. Er hatte vorsichtig angedeutet, er werde das Thema bei seinem Chef anschneiden, daß sich aber wohl kaum Probleme ergeben würden.
    Und jetzt saß er seit einer runden Stunde bei Samuel Ulfsson und kam zum Ende seines Vertrags. Schon indem er seinen eigenen Worten lauschte, ging ihm auf, daß seine privaten Rechte kaum mehr wert waren als eine Pepsi-Cola im Fegefeuer.
    Das rein Geographische war am leichtesten gewesen. Der Küstenabschnitt oben im Nördlichen Eismeer kam nicht in Frage. Selbst wenn es grundsätzlich möglich war, mit einem U- Boot hinzufahren, selbst wenn man wider Erwarten sämtliche Sonarsysteme überwinden und eine Gruppe an Land absetzen konnte, war es unmöglich, diesen Küstenabschnitt weiter zu überwinden, da es dort keinerlei Schutz gab.
    Der norwegische Grenzabschnitt war auf der norwegischen Seite unerhört gut bewacht und auf der russischen in geographischer Hinsicht viel zu unwirtlich, obwohl er natürlich etwas besser war als die Eismeerküste dort oben.
    Blieb also die Nordgrenze Finnlands. Dort habe er, erklärte er, eine vorläufige Basis errichtet. Eine Jagd und Fischerhütte, die gerade renoviert und gegen den Ansturm des Winters isoliert werde. Mit einem Schneemobil würde es weniger als eine Stunde dauern, über die Grenze zu gelangen, den Expeditionstrupp zu holen und zurückzukehren. Die Probleme waren einfach darzustellen. Sie brauchten mindestens zwei Schneemobile, mindestens zwei Fahrer, und zumindest einer von diesen beiden müsse finnisch sprechen. In diesem Teil Finnlands kam man mit keiner anderen Sprache durch.
    Das nächste Problem betraf die Kommunikation. Åke Stålhandske wußte noch nicht, ob das Mobiltelefonnetz bis zu der Jagdhütte reichte. Dies wäre natürlich am einfachsten, da die Leute da oben sich ohne Formalitäten gegenseitig besuchten und es vorteilhaft

Weitere Kostenlose Bücher