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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Gewissen, aber das hast du vermutlich nicht, mein lieber Alexej Borisewitsch«, schmunzelte der Kommandant.
    Alexej Mordawin blieb die Antwort schuldig. Die Frage war viel zu merkwürdig. Michail Sagwoskin galt allgemein als einer der besten U-Boot-Kapitäne der Sowjetflotte, war jedoch unleugbar etwas seltsam und hatte überdies die Gabe, einen verlegen zu machen.
    »Hier ist in der letzten Zeit einiges passiert«, fuhr der Kommandant ruhig fort, als hätte er auf die Bemerkung mit dem Maulwurf keine Antwort erwartet. Er reichte Mordawin einen Feldstecher. »Wir werden hier bald wohl genausogut ausgestattet sein wie die drüben in Gremicha, oder was meinst du?«
    Es war das erste Mal, daß sein Vorgesetzter ihn duzte, und es klang wie selbstverständlich, fast beiläufig.
    »Schon möglich, aber in Gremicha haben sie ja schon viel früher angefangen«, erwiderte Mordawin.
    Der Kommandant meinte vermutlich die Tatsache, daß die Basis in Gremicha, dreihundert Kilometer östlich von Murmansk an der Nordküste der Halbinsel Kola, inzwischen schon voll ausgebaut war. Man hatte in die hohen Granitberge am Meer Schutzräume für U-Boote gesprengt. Dem lag der Gedanke zugrunde, daß die Basis selbst einen Angriff mit Kernwaffen überstehen sollte.
    Die drei Männer schwiegen eine Zeitlang. Sie waren zu neugierig und zu sehr damit beschäftigt, durch die Ferngläser zu studieren, was seit ihrem Auslaufen in der Heimatbasis Sapadnaja Litsa geschehen war. In den zwei Monaten war erstaunlich viel geschafft worden. Zwei neue Piers und ein Schutzraum waren fertiggestellt. Wahrscheinlich würde man sie dorthin beordern. Am Kai lagen vier Delta-U-Boote ohne Tarnung, den wachsamen Weltraumaugen des Feindes gegenüber fast obszön entblößt.
    »Ich glaube, das da hat etwas mit vertrauensbildenden Maßnahmen zu tun«, brummte Kapitän zur See Sagwoskin und zeigte mit dem Fernglas auf die ungetarnten Kollegen. »Damit die Amerikaner glauben, sie hätten uns jederzeit unter Kontrolle, oder was glaubst du?«
    »Das haben sie ja schließlich auch«, erwiderte Alexej Mordawin vorsichtig, erhielt aber nur ein schmunzelndes Kopfschütteln zur Antwort, das er nicht deuten konnte.
    »Abgesehen davon haben wir sicher einige Neuigkeiten erhalten«, wechselte der Kommandant das Thema. »Ich nehme an, du hast einen Blick auf die Meldungen riskiert?«
    »Ja, Herr Kapitän, es sind unleugbar einige Neuigkeiten eingetroffen. Unter anderem haben wir einen neuen Namen erhalten.«
    »Ach ja?« erwiderte der vierschrötige, bärenhaft massive Kommandant. »Und inwiefern hat sich unsere liebe Komsomol-Jugend in Minsk in Mißkredit gebracht?«
    »Vor allem vermutlich dadurch, daß sie Weißrussen sind, da unser neuer Name Alexander Newskij ist«, erwiderte Alexej Mordawin. Es war ihm peinlich, so leichtfertig darüber zu scherzen, da es noch vor zwei Monaten so ausgesehen hatte, als würden die Gegensätze innerhalb der Union zu ernsten Konflikten führen. »Alle Offiziere an Bord haben überdies den Alexander-Newskij-Orden erhalten«, fügte er schnell hinzu, als wollte er das Gesagte vergessen machen.
    »Alexander Newskij und der Alexander-Newskij-Orden«, stellte sein Kommandant nachdenklich fest. »Wie soll man das deuten? Wir vertreten jetzt wohl das Heilige Mütterchen Rußland, oder?«
    »Ja, Herr Kapitän, das würde ich auch vermuten.«
    »Hör mal! Hör jetzt auf mit deiner förmlichen Anrede, Alexej. Hast du deine Ernennung noch nicht erhalten? Sie sollte fertig sein, sobald wir den Heimathafen anlaufen.«
    »Doch, ich habe die erfreuliche Mitteilung gesehen. Ich weiß nicht, ob sie so wohlverdient ist, aber wer beklagt sich schon über eine schnelle Beförderung?«
    »O nein, lieber Freund, das tut sicher niemand. Außerdem ist sie wohlverdient. Ich habe dich selbst für eine Beförderung vorgeschlagen. Nun, überlegst du, selbst erster Mann zu werden, vielleicht Kommandant auf einem der neuen Delta-U- Boote zum Beispiel?«
    Die Frage überraschte Alexej Mordawin, und das aus dem einfachen Grund, weil er sie sich nie gestellt hatte.
    »Ich bin ja Spezialist«, sagte er. »Und da ich für die strategischen Waffen verantwortlich bin, ist es vielleicht nicht so glücklich, diese Verantwortung mit der des Kommandanten zu teilen.«
    Das Gespräch verstummte, da sie sich jetzt dem Kai näherten. Der gigantische Schiffsrumpf ließ sich bei geringer Geschwindigkeit nur schwer manövrieren; die Ebbe machte es noch schwieriger. Wenn einer der sechs

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