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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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wußten, daß sie verfolgt wurden. Wenn ja, blieb nur die Frage, wer als erster feuerte. Wenn man an Bord eines Taifun-U-Boots tatsächlich jederzeit wußte, wo sich der Schatten befand, würde die allererste Maßnahme so aussehen: Bei Eintreffen des entscheidenden Befehls per Langwellensignal unter dem Packeis würde zunächst nicht der Angriff gegen die strategischen Ziele erfolgen, sondern die Vernichtung des Verfolgers. Theoretisch konnte der Verfolger dann nur versuchen, Geistesgegenwart genug aufzubringen, um die eigenen Torpedos abzufeuern, bevor es zu spät war. Alles, buchstäblich alles, was mit diesen Giganten der Meerestiefe zu tun hatte, war ein Alptraum.
    Während die beiden amerikanischen Satelliten einen steten Strom von Daten nach Hause sandten, strömten im gleichen Tempo Funksignale durch die Luft zu den Antennen des U- Boots; da es jetzt aufgetaucht fuhr, konnte schneller gefunkt werden, und die drei Schreiber unten in der Kommandozentrale arbeiteten mit Hochdruck.
    Der Chef der Sowjetflotte hieß Schiff und Besatzung willkommen. Man gratulierte der Besatzung zu bestens ausgeführten Aufträgen, hoffte auf einen angenehmen Aufenthalt an Land, bedankte sich für den Einsatz fürs Vaterland, und so weiter. Fast nebenbei wurde mitgeteilt, das Schiff habe vor einiger Zeit einen neuen Namen erhalten. Der Name, der auf die jungkommunistische Bewegung in der Hauptstadt Weißrußlands anspielte, war offensichtlich nicht mehr opportun gewesen. Der neue hingegen war sehr russisch: ALEXANDER NEWSKIJ.
    Alexander Newskij war ein sagenumwobener Heldenkönig des Mittelalters gewesen, der Rußland im Kampf gegen schwedische und livländische Invasionsarmeen geeint hatte.
    Eine weitere Mitteilung betraf einen der beiden Ersten Offiziere des Schiffs höchstpersönlich, Alexej Borisewitsch Mordawin, der selbst am Schreiber stand und die Meldungen gleich las. Nach einem Beschluß des Chefs der Sowjetflotte wurde er für seine außerordentlichen Einsätze vom Fregattenkapitän zum Kapitän zur See befördert.
    Die Entscheidung traf ihn vollkommen unerwartet, und es fiel ihm schwer, seiner Umgebung keine übertriebene Gefühlsreaktion zu zeigen. Unter anderem bedeutete es mehr als hundert Rubel zusätzlich im Monat. Das entsprach gut zwei Kilo Fleisch von besonders guter Qualität oder einem Kilo Fleisch und ausreichend Taschengeld für den jungen Sascha unten in Frunse; der älteste Sohn befand sich weit weg in der kirgisischen Sowjetrepublik. Angesichts der Entfernung und des Geredes um Preissteigerungen bei Inlandsflügen würde Sascha in den nächsten zwei Jahren kaum nach Hause kommen können. Bei den neuen Preisen würden sich nur korrupte Staatsbeamte, Mafiosi und Prostituierte Flüge leisten können. Die Ausbildung Saschas bedeutete ein Opfer für die gesamte Familie, doch die Militärakademie in Frunse war eine der besten der ganzen Sowjetunion. Ihre Aufnahmeprüfungen gehörten zu den schwierigsten. Sascha würde einen erstklassigen Start ins Leben erhalten, doch es würde Geld kosten.
    Über Bordlautsprecher wurde Fregattenkapitän Alexej Borisewitsch zum Kommandanten auf die Brücke befohlen. Er hatte es zunächst nicht gehört, da er gerade dabei war, einige der frisch eingetroffenen Meldungen auf einem der Schreiber zum zweiten Mal zu lesen. Eine Mitteilung war ihm zunächst vollkommen unwahrscheinlich erschienen, und er deutete fragend auf die Zeilen und dann auf seinen stellvertretenden Waffenoffizier, der neben ihm stand, und dann wieder auf die vier Zeilen. Sachlich betrachtet konnte es keinen Zweifel geben, was dort stand. Sämtliche Offiziere an Bord waren zum Dank für ihre außerordentlichen vaterländischen Dienste mit dem Alexander-Newskij-Orden ausgezeichnet worden.
    »Sind die in Moskau verrückt geworden?« fragte er. Doch sein jüngerer Kollege zuckte nur die Achseln und machte ihn darauf aufmerksam, daß der Kommandant ihn auf der Brücke sprechen wollte.
    Er eilte zum Vorschiff und auf die Treppe, bat über Lautsprecher um die Erlaubnis, auf die Brücke zu kommen, erhielt sie und kletterte schnell die Leiter hinauf.
    Die Seeluft und der scharfe Sonnenschein warfen ihn fast zu Boden. Er war seit mehr als einem Monat nicht mehr an der frischen Luft gewesen.
    Als er sich beim Kommandanten und beim Navigationsoffizier zur Stelle meldete, fühlte er sich noch immer etwas geblendet. Alles, was er sah, verschwand hinter einem lilaroten Geflimmer.
    »Du siehst aus wie ein Maulwurf mit schlechtem

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