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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Riesen beschädigt wurde, gab es nur einen Ort, an dem sie repariert werden konnten, nämlich an ihrem Herkunftsort: Werft Nr. 402 Sewerodwinsk im Weißen Meer bei Archangelsk.
    Ihnen kamen zwei Schlepper entgegen, die schnell anlegten und sie das letzte Stück in den Schutzraum schleppten, der bei ihrem Auslaufen im Frühjahr noch nicht einmal halbfertig gewesen war. Die Trossen der Schlepper wurden eingeholt, und Spillen des Schutzraums übernahmen das Einholen, bis die »Alexander Newskij« am Kai lag. Diesmal stand keine Musikkapelle bereit, was sicher eine politische Erklärung hatte, von der die einhundertfünfzig Besatzungsmitglieder und Offiziere an Bord nichts wissen konnten; in der Sowjetunion wandelte sich neuerdings alles sehr schnell, zumindest in der Politik.
    Die Meldung bei dem unterirdischen Stab von Sapodnaja Litsa war schnell erledigt und entsprach der Routine, abgesehen davon, daß Alexej Mordawin mitgeteilt wurde, er solle sich nach zwei dienstfreien Wochen beim Chef von Seweromorsk einstellen, um von diesem ein neues Kommando zu erhalten. Der wachhabende Offizier hatte keine Ahnung, worum es ging.
    Es war ein merkwürdiger Bescheid, da das Hauptquartier der mit Kernwaffen bestückten U-Boot-Flotte nicht in Seweromorsk lag, doch es schien zwecklos, jetzt darüber nachzugrübeln. Ihr Schiff würde jetzt ohnehin gründlich überholt werden, unter anderem mußte auch der Reaktor kontrolliert werden, und das konnte mehrere Wochen dauern. Vielleicht handelte es sich auch nur um ein vorübergehendes Kommando, bei dem es um rein waffentechnische Probleme ging; grundsätzlich waren die Raketenkreuzer in etwa mit der gleichen Waffentechnologie ausgerüstet wie die Taifun-U-Boote. Die Unterschiede lagen hauptsächlich bei den Waffenträgern.
    Alexej Mordawin rief das Krankenhaus in Murmansk an, bekam seine Frau jedoch nicht an den Apparat, da sie offenbar operierte. Er ließ ihr ausrichten, daß er gegen Abend nach Hause kommen werde, und entschied dann, sich in einem Wagen nach Murmansk mitnehmen zu lassen, statt mit der Bahn zu fahren. Das konnte länger dauern als mit der Bahn, besonders im Frühjahr und im Herbst, aber es war in mehrerer Hinsicht angenehmer. Er verabschiedete sich von seinem Kommandanten, erzählte von dem rätselhaften Befehl, sich in Seweromorsk zu melden, und beide hofften, daß es sich nur um eine vorübergehende waffentechnische Angelegenheit handelte. Sie gaben sich die Hand und gingen davon aus, daß sie sich nach dem Urlaub wiedersehen würden. Der Kommandant fuhr in einem eigenen Wagen, die anderen Offiziere fuhren jeweils zu dritt.
    Das Gerücht von seiner Beförderung und die Verleihung des Alexander-Newskij-Ordens an alle ließ die Autofahrt trotz der miserablen Straßen schnell munter werden. Jemand hatte in der Basis eine Flasche amerikanischen Whiskey organisiert. Die war schnell leergetrunken, und die Männer verfluchten sich gegenseitig, weil sie ihren Bedarf nicht richtig eingeschätzt und nicht vorgesorgt hatten. Die Nächte waren immer noch hell, so daß sie keinerlei Zeitvorstellung hatten, da sie in den letzten Monaten zeitlos in zwei Zwölf-Stunden-Schichten gelebt hatten. Aus diesem Grund waren so viele Soldaten an Bord. Jede Funktion war doppelt besetzt. Einer der Offizierskameraden auf dem Rücksitz des Wagens war Waffenoffizier wie er selbst. Als sie allmählich wieder nüchtern wurden, kam es zu langen, verwickelten Diskussionen über die Tests, die sie während der Reise durchgeführt hatten. Sie sprachen aus reinem Interesse über technische Fragen, vielleicht aber auch, um politische Themen zu vermeiden. Alle drei waren Parteimitglieder, doch es war unklar, ob es die Partei überhaupt noch gab. Nur einmal kam das Gespräch auf die Politik, als sich der Wagen der südlichen Einfahrt nach Murmansk mit dem Denkmal näherte, das stolz, wenngleich mit abgeblätterter Farbe erklärte, daß Murmansk eine Heldenstadt der Sowjetunion sei; Murmansk war erstaunlich spät zur Heldenstadt ernannt worden, lange nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
    Jemand sagte, es sei wohl an der Zeit, das Kaff in Heldenstadt Rußlands umzubenennen.
    Der Navigationsoffizier wohnte am südlichen Ende der Stadt und wurde als erster abgesetzt. Nach einer Viertelstunde, als sie auf dem Leninskij Prospekt die Stadtmitte passiert hatten, war es Zeit für Alexej Mordawin auszusteigen. Er lehnte die komplizierte Fahrt auf den »Steinberg«, Skolnij, ab, da die Straße vermutlich noch nicht

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