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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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auch keine Leichen, die sich identifizieren lassen. Buchstäblich nichts außer den gesicherten Kernwaffen darf von diesem Vorhaben übrigbleiben.«
    »Verstehe«, sagte Carl resigniert. »Möglicherweise kann man darin so etwas wie zwingende Logik sehen. Ist übrigens inzwischen bekannt, mit was für Waffen wir es zu tun haben? Wissen wir, was sie geklaut haben?«
    »Es sind sechs Gefechtsköpfe einer SS 20 mit Mehrfachsprengköpfen, runde hundert bis hundertfünfzig Kilotonnen pro Stück. Sie haben also einiges zu schleppen, die Burschen da oben.«
    »Wir sprechen also von einer knappen Megatonne«, stellte Carl mit einer Grimasse des Abscheus fest. »Man darf doch davon ausgehen, daß die Dinger nicht gerade entsichert sind?«
    »Ja, das darf man«, lachte Texas Slim. »Und soviel ich über Kernwaffen weiß, ist es verdammt schwierig, sie zu zünden, aber ihr braucht ja auch nicht dran herumzufummeln.«
    »Nein, das hatten wir auch gar nicht vor«, erwiderte Carl.
    »Wir markieren den Dreck mit einem Peilsender, wenn wir uns zurückziehen, ist das der Grundgedanke?«
    »Genauso haben wir es uns gedacht«, bestätigte Texas Slim mit einem kurzen Kopfnicken. »Nachdem alles menschliche Material vernichtet worden ist, natürlich.«
    »Aber ja, verstehe«, sagte Carl ironisch und raffte demonstrativ das Kartenmaterial auf dem Tisch zusammen, um zu zeigen, daß die Diskussion beendet war, zumindest was ihn anging.
    Texas Slim stand auf, gab Samuel Ulfsson die Hand und bedankte sich für die bisher gute Zusammenarbeit und scherzte, die Kinder der Welt würden wohl noch eine Zeitlang beruhigt zu Bett gehen können. Dann ging er mit der Versicherung, er finde selbst hinaus.
    Samuel Ulfsson ließ sich schwer wieder auf seinen Stuhl sinken und streckte sich nach einem Aschenbecher aus. Aus irgendeinem Grunde hatte er während der gesamten Begegnung nicht geraucht.
    »Ich versuche es ein wenig einzuschränken«, sagte er erklärend, als er das Streichholz ausschnippte. »Ja, das nenne ich wirklich eine triste Geschichte.«
    »Mmh«, sagte Carl, ohne Samuel Ulfsson dabei anzusehen.
    »Das kann man wirklich sagen. Eine triste Geschichte. Hast du nicht auch das Gefühl, daß da etwas nicht stimmt?«
    »Doch«, sagte Samuel Ulfsson, »aber ich kann verdammt noch mal nicht darauf kommen. Die ganze Sache ist zu groß und zu ernst, als daß jemand ein Interesse haben könnte, uns hereinzulegen. Das können sie sich einfach nicht leisten. Denn wenn all dies wahr ist, und wir müssen ja davon ausgehen, ist es etwas von dem Schrecklichsten, was überhaupt passieren kann. Herrenlose Kernwaffen sind der perfekte Alptraum, das läßt sich einfach nicht leugnen.«
    »Ja«, stimmte Carl zu, »der Schluß ist leider unausweichlich. Trotzdem habe ich dieses Gefühl. Und du bist also auch der Meinung, daß etwas nicht stimmt?«
    »Ja«, sagte Samuel Ulfsson nachdenklich und sog an seiner Zigarette. »Ich habe das Gefühl, daß alles zu leicht ist. Wenn nun diese Figuren, die jetzt ihre sechs Atomsprengköpfe durch die Gegend schleppen, ständig so perfekt überwacht worden sind, daß wir sie Meter für Meter und Schritt für Schritt verfolgen können, warum zum Teufel hat niemand sie schon früher gestoppt? Warum muß man sie bis zur finnischen Grenze kommen lassen, bevor wir zuschlagen und sie schnappen? Warum haben die Russen sie nicht selbst einfach einkassiert, und zwar irgendwo draußen in der Taiga? Für die Luftaufklärung kann das doch keine unmögliche Aufgabe sein? Oder was meinst du?«
    »Nein«, sagte Carl düster. »Wir wissen ja ungefähr, woher sie kommen, und wissen vor allem, wohin sie wollen. Wenn wir es wissen, wissen es auch alle anderen Beteiligten. Wenn wir sie ohne weiteres finden können, indem wir nur jeden Tag auf Skiern eine bestimmte Strecke patrouillieren, müßte ein Aufklärungsflieger sie nach einem Tag aufsammeln können. Aber das wissen wir eben nicht.«
    »Eben«, sagte Samuel Ulfsson, »und das ist eben ein russisches Problem. Es muß damit zusammenhängen, daß Gorbatschow seine eigenen Sicherheitsorgane nicht unter Kontrolle hat. Dort irgendwo liegt die Erklärung, glaube ich.«
    »Jemand hat diese Schmuggler verraten, und zwar von Anfang an«, überlegte Carl laut. »Sie haben keine Chance, ihr Vorhaben zu Ende zu führen. Sie haben keine Chance zu überleben und gehen jetzt buchstäblich ihrer Vernichtung entgegen. Wozu all diese Mühe? Wer hat sie verraten? Wer verdient daran, daß diese Burschen ins

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