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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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das einzige Mal über Wasser gefahren waren. Sie hatten mit der »Alexander Brykin« gerade das Umladen von Raketen geübt.
    »Schon gut, schon gut«, klärte der Amerikaner abwehrend.
    »Wir haben immerhin schon fast die Zusage bekommen, die »Alexander Brykin« mieten zu können. Die hat ja einen hervorragenden Hebekran mittschiffs, der zwar für ganz andere Aufgaben gedacht, aber dennoch gut zu gebrauchen ist. Es spielt keine große Rolle, ob wir diesen oder einen anderen Kran verwenden, die Hauptsache ist, daß die gesamte Ausrüstung dieses Typs in dieser Region bei der Sowjetflotte verfügbar ist. Und dort hat man nichts dagegen, das Schiff für tausend Dollar am Tag zu vermieten. Das nenne ich wirklich gute Perestrojka. Sie stellen aber die Bedingung, daß Offiziere mit der Befähigung, sowjetische Kriegsschiffe zu führen, an Bord sind. Das hängt unter anderem mit den Bedingungen westlicher Versicherungsgesellschaften zusammen. Wir könnten das ganze Vorhaben nicht versichern, wenn wir auf einem sowjetischen Kriegsschiff zivile Offiziere fahren lassen. Nur daran hängt das Ganze.
    Die Frage ist also sehr einfach. Können Sie sich nicht vorstellen, das Kommando zu übernehmen? Sozusagen als Nebenjob?«
    Nebenjob? Alexej Mordawin war ein einziges Fragezeichen.
    »Ich bin doch Angestellter der Sowjetflotte, wie soll ich da für jemand anderen arbeiten können?«
    Beide versicherten ihm lachend, das sei durchaus möglich. Gerade das mache ja einen Nebenjob aus, daß man in der Freizeit für einen anderen arbeite. Sie könnten sich einen Lohn von hundert Dollar am Tag vorstellen.
    Kolja erläuterte lässig, was hundert Dollar waren. Nach heutigem Geld zehntausend Rubel, also zwei anständige Jahresgehälter für einen Kapitän zur See. Ein guter Tagesverdienst, nicht wahr?
    Alexej Mordawin wurde zunächst wütend. Er fühlte sich gekränkt. Es war unanständig, ihm mit solchen Vorschlägen zu kommen. Was für eine Zumutung!
    Kolja und der Amerikaner beruhigten ihn und wiesen darauf hin, wenn seine Vorgesetzten schon einverstanden seien, gebe es doch kein Problem. Alles sei ja vollkommen legal, eine gesunde Geschäftstätigkeit und ein Beispiel für Perestrojka, und dagegen könne niemand etwas einzuwenden haben. Wenn er nicht mitmachen wolle, brauchten sie sich nur an einen seiner Kollegen zu wenden. An der Sache werde sich nichts ändern. Der einzige Unterschied bestehe darin, daß dann ein anderer Kapitän zur See in seiner Freizeit hundert Dollar am Tag verdiene. Sie hätten schließlich nur einen Grund gehabt, sich an ihn zu wenden, nämlich weil er ein naher Verwandter Koljas sei.
    Nach einiger Zeit sagte Mordawin, er werde sich die Sache überlegen und sie mit seiner Frau besprechen. Doch da lachten beide laut auf, bestellten Champagner und erklärten, keine Frau auf der ganzen Welt, die ihre fünf Sinne beisammen hätte, würde ihrem Mann in einer solchen Situation abraten. Und außerdem sei ja entscheidend, daß jederzeit der offizielle Weg eingehalten werde. Alles sei vollkommen legal und sowohl vom sowjetischen Staat wie von der Sowjetflotte genehmigt. Es sei nur ein natürliches Ergebnis des gegenwärtigen Regimewechsels. Gerade in der ersten Zeit des Neubeginns würden die, die als erste zur Stelle seien, mühelos soviel Geld verdienen können. Das liege in der Natur des Systemwechsels. Später werde es sicher bedeutend schwieriger werden.
    Alexej Mordawin gefiel das Wort Systemwechsel nicht, es gab ihm tiefe unangenehme Assoziationen ein. Er war jedoch in der Unterhaltung an einem Punkt angelangt, an dem es ihm schwer wurde, Gegenargumente vorzubringen.
    Er durfte ja nicht einmal andeutungsweise sagen, daß er jetzt mit einem neuen Job anfing, der wichtiger und gefährlicher war als jeder nur denkbare Systemwechsel.

2
    Angefangen hatte es mit einem Diskussionsbeitrag auf Seite drei in Dagens Nyheter. Doch während der folgenden zehn Tage fand sich in dem politischen und intellektuellen Establishment niemand bereit, den Faden aufzunehmen. Das lag vor allem daran, daß der Beitrag von der falschen Seite oder zumindest von der falschen Person kam, einem Sprachrohr der Umweltpartei.
    An der Argumentation war nichts auszusetzen, zumindest nicht formal. Der Schreiber bezweifelte, daß es für Schweden in einer Zeit der Abrüstung und des Friedensstrebens richtig sei, sich so etwas wie eine herumreisende Theatertruppe zu leisten, die politische Morde und Sabotage begehe. Die außenpolitische Stärke

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