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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Landes, der soeben in Malmö gewesen war, um über die Werftindustrie zu sprechen. Der Minister verließ seine Pressekonferenz, auf der er sich in bekannter Manier nur kurz und knapp geäußert hatte. Er verhedderte sich in ein Mikrophonkabel, an dessen anderem Ende der junge Fernsehreporter steckte.
    Die beiden Männer sahen einander erst verblüfft an, doch der jüngere gewann als erster die Fassung wieder, als ihm aufging, daß sein Mikrophon sich weniger als zehn Zentimeter von einem Verteidigungsminister befand, der sich buchstäblich eingewickelt hatte.
    »Herr Verteidigungsminister, was halten Sie von dem Treiben unserer Nachrichtendienstoffiziere auf Sizilien?« sprudelte es aus dem Nachrichtenreporter hervor. Vermutlich war es das einzige, was ihm spontan in den Sinn kam.
    »Oh, unsere Spione kann niemand im Zaum halten. Das kann kein Verteidigungsminister der Welt«, erwiderte der Verteidigungsminister lächelnd, was vorwiegend an dem eigenwilligen Mikrophonkabel lag.
    Die Regionalnachrichten von »Sydnytt« brachten den Beitrag, da er lustig war und man überdies einen Film hatte; der Kameramann hatte sich ohne Wissen um das, was der Reporter fragte, auf den Verteidigungsminister konzentriert.
    Ein kleines Bonbon, sagte man in der Redaktion, ein lustiges kleines Bonbon, mit dem wir die Abendnachrichten abschließen können, etwa wie mit einem Beitrag über eine Katze, die in einem Baum hockt und erst von Feuerwehrleuten gerettet werden muß, oder über eine Entenmutter, die mit ihren Küken von einem uniformierten Polizeibeamten zu einem Wasserlauf geführt wird. Die Zentralredaktion von »Rapport« in Stockholm erwog keinen Augenblick, diesen Beitrag aus Schonen zu senden, da man ihn nicht für seriös hielt.
    Ein schwedischer Schriftsteller jedoch, ein sehr einflußreicher Mann, der als Sozialdemokrat galt, obwohl er in der größten bürgerlichen Tageszeitung des Landes schrieb, sah sich an diesem Tag zufällig »Sydnytt« an, da er sich in Kopenhagen aufhielt.
    Und da er einen Vertrag mit seiner Zeitung hatte, in dem es hieß, man werde ihn fürstlich entlohnen, allerdings nur, wenn er etwas Originelles biete, erkannte er sofort die Möglichkeit zur Kolumne der Woche:
    » Wenn es tatsächlich so gewesen ist, daß der Verteidigungsminister des Landes nicht gewußt hat, was ›unsere Spione‹ draußen in der Welt treiben, ist das grundsätzlich eine sehr ernste Angelegenheit. In jeder Demokratie kämpft man mit dem Problem, daß weder das Militär noch eine andere Macht zu einem Staat im Staat werden darf.
    Wenn der Verteidigungsminister andererseits zu diesem Thema nur einen Scherz gemacht hat, zeigt dieser Scherz eine ungewöhnliche Verachtung für das demokratische System unseres Landes.
    Wenn schließlich ›unsere Spione‹ überall in der Welt Amok laufen dürfen, wie es ihnen behagt, ist auch das außerordentlich ernst. Diesmal ist es zwar gutgegangen, aber es hätte ebensogut schiefgehen können, und außerdem kann es jeden Augenblick wieder passieren.«
    Damit waren mehrere Hindernisse für eine öffentliche Debatte aus dem Weg geräumt. Erstens durfte der Auslöser einer eventuellen Diskussion nicht länger bei den Grünen gesucht werden.
    Zweitens hatte der Verteidigungsminister erneut etwas Lustiges gesagt, etwa so wie früher einmal, als er die modernsten Schiffe der Marine »Blechkästen« genannt und sich anschließend zwei Monate lang mit mehr oder weniger gequälten Entschuldigungen abgemüht hatte.
    Drittens griff die konkurrierende Abendzeitung die Sache jetzt auf, indem sie unter den Rocksängerinnen des Landes eine Blitzumfrage veranstaltete. Neun von zehn Rocksängerinnen sprachen sich für Hamilton aus.
    Denn die Frage war so formuliert worden:
    »Bist du der Meinung, daß es von Hamilton richtig war, schwedische Entführungsopfer auf Sizilien zu befreien, auch wenn es Menschenleben gekostet hat?«
    Die Angelegenheit war damit zu einer Prominentengeschichte geworden, und so brachen alle publizistischen Dämme. Die Journalisten machten Jagd auf Politiker jeglicher Couleur, um ein Statement zu dieser Frage zu erhalten. Die bedrohliche Publizität türmte sich am Horizont wie eine riesige Flutwelle auf.
    Carl widmete der zunehmenden Publizität nur flüchtige Aufmerksamkeit. Er hatte das Gefühl, als ginge ihn das Ganze nichts an. Doch nicht etwa, weil die grundlegenden Fragen ihm uninteressant vorkamen oder weil er die Kritik für unberechtigt hielt, sondern aus dem sehr einfachen

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