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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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etwas allgemeiner besprechen. Sollten wir in diesem Stadium noch einen weiteren Entscheidungsträger des Landes einweihen? Verfassungsmäßig dürfte die Verteidigungsministerin als erste an der Reihe sein. Und: Können wir die Kontakte mit dem sowjetischen Präsidenten über die bisherigen Kanäle fortsetzen?«
    Es kam zu einem recht langen Schweigen. Das war kaum verwunderlich, denn die eine Frage erschien den Anwesenden leicht, während es auf etwas peinliche Weise schwer sein würde, die andere zu beantworten. Schwierig war jedoch nicht die Billigung des eigentümlichen Vorgehens, einen mittleren Beamten als Brieftaube zum Präsidenten der früheren Supermacht einzusetzen. Schwierig war die Frage, ob die Verteidigungsministerin hinzugezogen werden sollte, sowie die Tatsache, daß alle Äußerungen für die Nachwelt aufgezeichnet wurden.
    Finnland war das erste Land der Welt mit einer Frau an der Spitze des Verteidigungsministeriums. Delikat war die Angelegenheit, weil die Dame nicht das ungeteilte Vertrauen der Anwesenden genoß. Natürlich hätte es als eine erfrischende und moderne Idee erscheinen können, eine Frau als Verteidigungsministerin zu haben, und überdies war ihre schließliche Ernennung einer der vielen Kompromisse in der Frage der Verteilung der Ministerposten gewesen, wie sie bei einer Koalitionsregierung unvermeidlich sind. Die erfrischende Munterkeit der Dame hatte sich gelegentlich jedoch auf unkonventionelle Weise Ausdruck verschafft. So hatte sie in der Öffentlichkeit mehrmals witzige Äußerungen gemacht. Manche glaubten, sie habe dies nur getan, um im Rampenlicht zu stehen. Hätten die Anwesenden Herren weniger offiziell zusammengesessen, hätten sie gesagt, das Weibsstück quatscht zuviel, so geht das nicht, diese Frage ist dafür einfach zu ernst.
    »Tja, wenn ich anfangen darf«, sagte der Außenminister in einem Tonfall, als wäre ihm eine glänzende Idee gekommen, »wenn ich also anfangen darf, scheint es mir nur vernünftig zu sein, sich auch künftig des gleichen Kanals zu bedienen, der in der Praxis ja schon funktioniert hat. Der Ernst der Angelegenheit wiegt wirklich schwerer als die Frage, wer offizieller Sendbote ist oder derlei. Von Seiten des Außenministeriums haben wir also keine Einwände dagegen, daß Ministerialrat Grönroos auch künftig in dieser Frage als Postillon eingesetzt wird.«
    Er lehnte sich zufrieden zurück. Es hatte fast den Anschein, als entspannte er sich. Von den Anwesenden konnte ihm ja niemand das Recht nehmen, sich in der Frage zu äußern, die schon definitionsmäßig in seinen Verantwortungsbereich gehörte. Damit hatte er jedoch die glühende Kohle weitergereicht.
    Der Ministerpräsident, dem die glühende Kohle jetzt auf dem Schoß lag, erkannte, daß er an der Reihe war. Er erkannte auch, daß alle um die besondere Schwierigkeit wußten. Er warf dem Kanzleichef des Präsidenten einen Seitenblick zu. Dieser hatte die Äußerung des Außenministers schon notiert und wartete jetzt höflich mit erhobenem Stift.
    »Ja, hm«, begann der Ministerpräsident angestrengt, »wie ich sehe, ist es von größter Bedeutung, den Kreis der Verantwortlichen so klein wie möglich zu halten, und zwar angesichts der unerhörten Konsequenzen eines Durchsickerns dieser Angelegenheit nach draußen.«
    Er machte eine kurze Pause. Es war offenkundig, daß er dabei war, seine soeben geäußerten Worte vorzeitig auf der Goldwaage der Geschichte zu wiegen. Dann fand er einen Ausweg und fuhr fort.
    »Ich möchte damit natürlich nicht gesagt haben, daß einer der hier Anwesenden oder nicht Anwesenden weniger vertrauenswürdig sei als sonst jemand. Es ist nichts weiter als eine arithmetische, praktische Beobachtung. Und da die Angelegenheit die Landesverteidigung noch nicht berührt und offenbar eher unsere auswärtigen Beziehungen und möglicherweise bestimmte polizeiliche Vorbereitungen tangiert, bin zumindest ich der Meinung, daß wir den Kreis bis auf weiteres genügend ausgeweitet haben, und zwar in sowohl verfassungsmäßiger als auch rein praktischer Sicht.«
    Keiner der Anwesenden machte Anstalten, etwas einzuwenden oder hinzuzufügen.
    »So«, sagte der Präsident, »damit sind wohl die Fragen beantwortet, die ich zu stellen hatte. Dann können wir fortfahren. Mir ist klar, daß Sie unvorbereitet zu diesem Gespräch gekommen sind, meine Herren, aber ich möchte trotzdem Ihre Standpunkte und Fragen hören.«
    Die anschließende Diskussion wurde recht lebhaft, so daß

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