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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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solchen Schurkereien beteiligen?« hörte er sich fragen. Er hatte nicht mal die Stimme erhoben.
    »Das ist sehr einfach, Onkel Alexej«, begann Kolja lässig. Er schüttelte ein paar Zigaretten aus einer rotweißen amerikanischen Schachtel und bot seinem Onkel eine an. Er stellte fest, daß sein Onkel keineswegs die Absicht hatte, ausgerechnet jetzt mit dem Rauchen anzufangen, zündete sich selbst eine Zigarette an, inhalierte tief und ließ die Kunstpause die Spannung noch mehr steigen, bevor er fortfuhr.
    »Wie gesagt. Alles hängt zusammen und ist sehr einfach. Die Stahl und Schrottfirma, bei der Sie angestellt sind, ist nur für dieses Projekt gegründet worden und nichts anderes, und unter anderem deswegen sind Sie bei diesem ›Wir‹ dabei, nach dem Sie gefragt haben. Es gibt einige sehr besorgte Araber, die zu den nächsten Opfern einer sogenannten UNO-Strafaktion zu werden befürchten. Sie sind deshalb bereit, einen phantastischen Preis für die Risiken zu zahlen, denen wir uns hier oben aussetzen. So hängt es zusammen.«
    Kolja blickte zur Seite, rauchte ein paar Züge und schien nicht einmal nervös zu sein. Er spielte perfekt die Rolle eines Mannes, der mit seinem Onkel nur eine Art Familiengespräch über irgendeine Banalität führt. Alexej Mordawin beschloß, das Gespräch möglichst weit zu treiben, ohne handgreiflich zu werden. Er mußte mehr wissen.
    »Und wozu wollen diese arabischen Freunde eine solche Vernichtungskraft anwenden? Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, um wie viele Menschenleben es dabei gehen kann?« fragte er, immer noch in dem gleichen ruhigen, geschäftsmäßigen Tonfall, der auf ihn selbst vermutlich mehr Eindruck machte als auf den jungen Kolja.
    »Zu dem gleichen Zweck, zu dem sie bei uns auch eingesetzt worden wäre«, erwiderte Kolja mit fast gelangweilter Miene.
    »Im Namen des proletarischen Internationalismus. Ja, ich nehme an, daß Sie gläubiger sind als ich, Onkel Alexej, aber im Namen des proletarischen Internationalismus müssen wir schließlich davon ausgehen, daß die arabischen Genossen vernünftige Menschen sind. Sie werden unsere Waffen also zu exakt dem gleichen Zweck einsetzen, wie wir es selbst getan hätten.«
    »Nämlich zu was?« fragte Alexej Mordawin mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Sehr einfach, Onkel Alexej. Um einer Zerstörung im Wert von zehn Milliarden Dollar zu entgehen. Sie kaufen eine Versicherung, für die sie, sagen wir, eine Milliarde Dollar bezahlen. Dann sind sie genauso versichert wie wir. Die USA ermorden keine Araber, wenn sie dabei riskieren, daß New York zerstört wird. Logisch, nicht wahr? Fortschrittlich, anständig, human, was Sie wollen. Nicht wahr?«
    »In meinem langsamen, computerisierten und eckigen Militärgehirn kann ich formal einige Logik in dem erkennen, was du sagst, mein junger Kolja«, begann Alexej Mordawin mit erstickter Wut. Doch dann sah er ein, daß er sich beherrschen mußte. Er atmete ein paarmal tief durch, bevor er fortfuhr. »Aber wie zum Teufel sollen die Araber die Gefechtsköpfe nach New York bringen? Sie vielleicht mit Kamelen dorthin verfrachten?«
    Der junge Kolja lachte unbekümmert auf.
    »Na, na, Onkel Alexej, das Thema ist für solche Scherze vielleicht zu ernst. Aber sonst haben Sie im Prinzip recht, wie ich glaube. Im Krieg muß man die Sprengköpfe einfliegen oder sie aus den Tiefen des Eismeers abschießen, worauf Sie vielleicht mehr eingestellt sind. Aber im Frieden verfrachtet man sie inmitten einer Ladung Apfelsinen oder Datteln, was in diesem Fall vielleicht besser wäre, montiert sie an einem geheimen Ort und hat damit die Transportfrage geklärt. Ein Gleichgewicht des Schreckens ohne Raketen, mit anderen Worten.«
    »Das hast du dir aber nicht ausgedacht, du Lümmel!« zischte Alexej Mordawin, den die simple Logik überwältigte. Er sah ein paar technische Probleme, doch grundsätzlich war möglich, was er soeben gehört hatte.
    »Hören Sie mal, Onkel Alexej! Ich verstehe ja sehr gut, daß diese neue Dimension Ihrer Arbeit Sie sehr erschüttert. Aber Lümmel? Ist das nicht ein bißchen zu stark?«
    »Ganz und gar nicht, mein junger Kolja. Überhaupt nicht. Weißt du, wohin du gehörst? Du gehörst entweder ins Irrenhaus oder hinter Schloß und Riegel. Und dort wirst du auch ohne jeden Zweifel landen!«
    »Nein, Onkel Alexej, ich werde niemals hinter Schloß und Riegel landen, es sei denn nur vorübergehend. Das gleiche gilt im übrigen für Sie. Es gibt zwei Alternativen, die

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