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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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jetzt als Schutz für die schwächsten Nationen verschwindet.«
    »Meinst du den proletarischen Internationalismus?«
    »Nein. Geliebte Jelenka, jetzt wirst du schon wieder ironisch. Ja, laß es uns so nennen. Genau, der proletarische Internationalismus!
    Denke doch nur daran, daß unsere Schwäche es den Imperialisten erlaubte, die armen Iraker zuschanden zu bomben. Unsere Zeitungen wagten nicht zu schreiben, wie übel es ihnen erging, aber wir haben während der letzten Reise eine Menge Berechnungen angestellt und…«
    »Ihr habt unterm Polareis gesessen und Berechnungen über einen Wüstenkrieg angestellt?« unterbrach sie lachend. »Entschuldige bitte, aber bei allem Respekt vor deiner gewaltigen Kompetenz in Sachen Polareis, deiner und der deiner Offizierskollegen, was habt ihr da eigentlich berechnet?«
    »Die Zahl der Toten«, brummte er übellaunig. »Zeit, Zahl der Flugeinsätze, durchschnittliche Bombenladung. Wir kennen ja all ihre Waffentypen recht gut. Es sind nämlich genau die Waffen, denen entgegenzutreten wir ausgebildet sind. Wir haben errechnet, daß sie mehr als hunderttausend Araber getötet haben müssen. Das macht mich traurig. Noch trauriger macht es mich, daß wir auf Grund unserer Schwäche gezwungen waren, die Amerikaner zu unterstützen. Das bedeutet, daß sie jetzt weltweit grünes Licht haben. Welches Land bekommt als nächstes Besuch von den Flugzeugträgern? Iran? Libyen? Nordkorea? Die verrückten Chinesen? Ich vermisse diesen irren, alten Breschnjew wahrhaftig nicht, das ist es nicht. Aber unsere Schwäche wird noch viele Menschenleben kosten.«
    Sie hielt es für geraten, die Diskussion nicht fortzusetzen. Es würde ihnen beiden nur Kummer bereiten, und dabei waren sie hier, um ihren Spaß zu haben. In diesem Jahr ein einziger Badeausflug. In einer Woche würde es vielleicht schon schneien.
    »Wollen wir nicht baden?« schlug sie vor.
    Er warf ihr unter seiner jungenhaften Haartolle einen amüsierten Blick zu. Er wußte sehr genau, was sie von kalten Bädern hielt.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte er in einem unerwartet ausgelassenen Tonfall. »Wenn es in der Luft elf Grad sind, dürfte es im Wasser nicht viel kälter sein.«
    Er stand entschlossen auf und zog die Jacke seines Trainingsanzugs aus. Sie erhob sich etwas zögernder und dachte, ich bringe es lieber gleich hinter mich.
    Sie ging vor ihm zum Wasser hinunter und beschloß, nicht erst mit den Zehenspitzen die Temperatur zu erkunden. All das würde die Qual nur verlängern. Sie würde auch nicht zulassen, daß er sie mit Wasser vollspritzte oder sonstwie ärgerte, wenn er sich selbst schon hineingestürzt hatte und wie ein Walroß auf dem Rücken im Wasser schwamm und prustete, wie schöön es sei. Sie ging mit langen, entschlossenen Schritten zum Wasser, trat mit den Fersen fest auf den Rasen, war jedoch völlig verwirrt, als sie ihn hinter sich lachen hörte.
    Sie wandte sich verblüfft und etwas verletzt um, da sie es verstehen wollte. Aber er sagte zuerst nichts, sondern lachte nur.
    »Darf man fragen, was es da zu lachen gibt, Kapitän zur See Mordawin?« fragte sie mit gespielter Wut und stemmte die Fäuste in die Seiten.
    »Nichts Besonderes, liebe Dozentin Mordawina«, lächelte er.
    »Es ist einfach nur so, daß Sie einen wunderschönen Hintern haben, Genossin Dozentin. Er bewegt sich so herrlich, wenn Sie wütend sind, Frau Dozentin.«
    Sie lief in das seichte Wasser hinaus, stürzte sich hinein und ließ sich von der Kälte umschließen, die zunächst schmerzte und ihr fast den Atem raubte. Er trottete immer noch lachend hinter ihr her und ließ sich weich neben sie ins Wasser fallen, als handelte es sich nur um eine wohltemperierte Badewanne. Er streckte einen Arm aus und umfaßte ihre Taille, zog sie an sich, sah ihr in die Augen und lächelte über ihre verkrampften Versuche, wieder ruhig zu atmen.
    »Das… fin…dest… du… schön?« keuchte sie.
    »Ja, und ob!« grinste er und tat, als fühlte er sich pudelwohl. Er preßte sich näher an sie, so daß seine Körperwärme sie fast verbrannte. »So sollte es für immer sein. Für immer! Wenn ich dich dabei nur so am Po halten dürfte!«
    Er umfaßte sie mit einem festen, liebevollen Griff, und sie kämpfte zwischen Kälte, Lachen und Entrüstung, die doch nicht echt war.
    »Diese… un…anstän…digen… Reden… schicken… sich nicht«, keuchte sie. Doch er lachte nur.
    Als sie an Land gingen, rieb er sie mit zwei neuen weißen Handtüchern aus dem

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