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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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denn Anna war nach allen nur denkbaren Kriterien eine skandinavische Schönheit.
    Normalerweise, also in der Zeit vor Anna, hätte er sich möglicherweise und nicht ohne Grund etwas besorgt gefühlt, wenn er in einer sogenannten Personalangelegenheit zu seinem Chef gerufen worden wäre. Mit Ausnahme von Operationen im Feld hing er organisatorisch beim Nachrichtendienst ziemlich in der Luft. Er befand sich zwar auf der Gehaltsliste des KSI, dem nachrichtendienstlichen Büro, das einmal die nachrichtendienstliche Sektion gewesen war, SSI. Offenbar klang Büro in den Ohren von Politikern etwas unschuldiger und harmloser als Sektion. Doch da er im Gegensatz zu den anderen Kaliforniern der Firma nur einen halben MA in Computertechnik gemacht hatte und seine wirkliche Spezialität, alles was mit Abhören und Lauschangriffen zu tun hatte, im Augenblick das Verbotenste war, was es im Königreich Schweden gab – sogar so verboten, daß der Nachrichtendienst es gar nicht wagte, sich damit zu beschäftigen, und ein Trupp des zivilen Sicherheitsdienstes deswegen sogar angeklagt war –, erhielt er in »Friedenszeiten« einige unklar formulierte Aufgaben und wurde dem harmloseren Bereich der Firma zugeschlagen.
    Eine einfache Personalangelegenheit konnte zum Beispiel eine Versetzung vom Nachrichtendienst sein. Vielleicht drohte ihm etwas so Einfältiges wie ein Job als Nahkampfausbilder für Küstenjäger. Er wußte, daß einmal davon die Rede gewesen war, doch danach hatte eine dichte Folge von Operationen im Feld die Katastrophe hinausgeschoben.
    Die Operationsabteilung konnte ihn sehr wohl irgendwo anders bei den Streitkräften unterbringen, um ihn nur dann anzufordern, wenn besondere Qualifikationen erwünscht waren. Das war durchaus nicht unlogisch, wie er erkannte. Sizilienreisen würden künftig kaum mehr auf dem Programm stehen.
    Er war also in gewisser Weise auf das Schlimmste gefaßt, als er zu Carl unterwegs war. Doch es hatte den Anschein, als machte ihn seine strahlende Laune – die Liebe, hätte eine Frau gesagt – unverwundbar. Er überlegte sogar, ob er den einfacheren Weg wählen sollte, nämlich Anna anzulügen, falls er Nahkampfausbilder wurde.
    Carl sah sehr ernst aus, als sie sich im Dienstzimmer trafen. Er nickte und wies Åke Stålhandske mit einer Handbewegung an, sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch zu setzen, also in eine Position, in der auch ohne Worte klar war, wer selbst unter Freunden der Chef ist.
    »Ich habe hier ein Dokument, das dich betrifft. Es ist vom OB unterzeichnet«, begann Carl grimmig und drehte ein Blatt Papier in den Händen. Dann hellte sich sein Gesicht plötzlich auf.
    »Du siehst ja gar nicht so verängstigt aus, wie ich es erwartet habe, du Mistkerl. Nun, du bist jedenfalls zum Major befördert und zur Sektion, Verzeihung, zum nachrichtendienstlichen Büro beim Generalstab versetzt worden. Dort wirst du für Analyse-Koordination verantwortlich sein. Gratuliere.«
    Carl schob das Papier über die blanke Schreibtischplatte, so daß es in den Händen des verblüfften Åke Stålhandske landete.
    »Na ja, das ist gar nicht so verdammt schlecht«, stellte Åke Stålhandske fest. »Aber was zum Teufel bedeutet es, ich meine, abgesehen von zweihundert Kronen mehr im Monat und einem weiteren Streifen am Ärmel?«
    »Du meinst, was du tun sollst?«
    »Ja, genau.«
    »Das gleiche wie ich, nur beim KSI. Sam und ich haben darüber gesprochen und aus meinem erzwungenen Koordinationsjob hier oben im Hauptbüro einige Schlußfolgerungen gezogen. Wie du weißt, kann ich ja nicht bei unseren Deckadressen herumlaufen und Aufsehen erregen. Jedenfalls hat sich gezeigt, daß wir Kalifornier auf dem Gebiet des Nachrichtendienstes so etwas wie Allgemeinbildung besitzen. Wir können ja so manches, ich meine, außer Leuten auf die Schnauze zu schlagen. Sam und ich sind zu dem Ergebnis gekommen, daß erhebliche Mengen an disparaten Informationen beim KSI zusammenströmen, so daß wir dort einen Koordinator haben sollten, einen Mann, der täglich sichtet, was an Meldungen eingeht, und die Papiere dann nicht nur in den richtigen Ordner stopft, sondern auch Sam oder mich anruft, wenn es etwas Besonderes gibt. Da der Chef dort unten ein Politiker ist, können wir in der Leitung einige Kompetenz gerade dieser Art gebrauchen, also einen von uns.«
    »Entschuldige, wenn ich lache«, sagte Åke Stålhandske, der tatsächlich lachte, »aber das liegt wohl daran, daß ich so verdammt verliebt bin.«
    Carl

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