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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Felswand war voll von verrostetem Schürfgerät,
Werkzeug und weggeworfenen Autoteilen. Ich ging um die Hütte herum und rüttelte
an den Fenstern. Aber sie waren fest verschlossen. Vielleicht hätte ich es noch
rechtfertigen können, einzusteigen, wenn eines offengestanden hätte, aber die
Umstände machten es keinesfalls erforderlich, daß ich mir gewaltsam und illegal
Zutritt verschaffte. Also suchte ich die Umgebung um die Hütte in einem immer
weiter werdenden Halbkreis ab. Dann sprang ich von Stein zu Stein über den Bach
und erforschte das gegenüberliegende Ufer.
    Und bekam einen fauligen Geruch in die
Nase.
    Ich brauchte nicht lange, um die Stelle
zu orten, von der der Gestank kam: dort hinter zwei mannshohen Brocken kurz vor
der Felswand. Mein Magen zog sich zusammen, als ich näher kam, und ich dachte
nur: O nein...
    Zögernd zwang ich mich, einen Schritt
um den ersten Steinbrocken zu tun. Und fühlte mich zurückgestoßen und war
zugleich erleichtert.
    Es war Earl Hopwoods Abfallhaufen. Der
Müllberg sah aus, als sei er in Jahren aufgetürmt worden und verfalle nur sehr
langsam zu Kompost. Fliegen umschwirrten ihn. Der Gestank war so heftig, daß
ich nur ganz flach und durch den Mund atmen konnte. Ich wußte, daß mein Magen
eine genauere Untersuchung des Haufens nicht aushalten würde, und wandte mich
ab.
    Doch mein Blick blieb an einem
Gegenstand hängen. Ein Stück unter der Spitze des faulenden Müllbergs steckte
ein rissiges Stück Holz, das wohl einmal zu einer Kiste gehört hatte. In roter,
noch gar nicht durch die Witterung verblaßter Schrift stand darauf das Wort
»Dynamit«.
    Darüber war noch die untere Hälfte
eines Schriftzugs zu erkennen. Er konnte »Red Devil« geheißen haben. Ein
Markenname.
    Ich sah mich um und entdeckte einen
zerbrochenen Besenstiel, mit dem ich das Holzstück herauszog. Es war von
verfaulten Speiseresten verschmiert. Ich hob es vorsichtig auf, trug es zum
Bach und wusch es. Ich wollte es als Beweisstück mitnehmen — wofür, war mir
allerdings noch schleierhaft.
    Dynamit, dachte ich. Dynamit brauchte
man, wenn man Stollen in felsige Wände sprengte. Dynamit verwendeten so
hochtechnisierte Goldschürfer wie Transpacific.
    Wer es aber nicht benutzte, das waren die Goldwäscher — also Leute wie Lily
Nickles und Earl Hopwood.
    Was hatte demnach Earl Hopwood mit
einer ganzen Kiste davon angefangen?
    Ich beschloß, das Brett mit zur
Tiger-Lily zu nehmen.
    Als ich wieder nach Promiseville kam,
war die Sonne hinter den Bergen verschwunden. Die brüchigen Häuser lagen in
purpurfarbene Schatten getaucht und sahen eher aus wie Geistererscheinungen
einer romantischen Vergangenheit als wie die Überreste einer Epoche voller
Mühsal und Enttäuschungen. Hinter den Fenstern von Lilys Haus war kein Licht zu
sehen, und der Jeep war nicht zu entdecken.
    Ich stand auf der Veranda und lauschte
einen Augenblick lang auf die Stille, und die Einsamkeit, von der sie
gesprochen hatte, senkte sich über mich. Drüben auf der anderen Seite des Tals
fiel das Licht des aufgehenden Monds auf die kahlen Kuppen der Berge. Sie
schimmerten phosphoreszierend durch die heraufkriechende Dunkelheit. Ich
stellte mir vor, wie Lily Nickles hier Nacht für Nacht saß und hinausschaute,
dorthin, wo so viele Träume hatten begraben werden müssen, und wie sie darüber
vielleicht ein wenig verrückt wurde. Wenn ich auch begierig darauf war, mit ihr
zu reden, war ich doch froh, daß sie von hier weggefahren war, und wenn auch
nur für eine kleine Weile.
    Ich ging zurück zu meinem Wagen und
schloß das Brett von der Dynamitkiste in den Kofferraum. Dann machte ich mich
wieder nach Vernon auf den Weg. Als ich an Hy Ripinskys Haus vorbeikam, sah
ich, daß dort Licht brannte und der Morgan neben dem Landrover parkte. Kurz
entschlossen bog ich von der Straße ab und klopfte bei ihm an.
    Ripinsky war sofort an der Tür, ein
Buch in der Hand. Sein langer Körper steckte in ausgebleichten Jeans, einem
ziemlich verschlissenen Sweater und abgetragenen Mokassins. Er blinzelte mich
überrascht an, schien sich aber über mein Erscheinen zu freuen.
    Das Wohnzimmer war angenehmer
ausgestattet, als sich von draußen vermuten ließ: Indianische Webläufer
bedeckten den Kiefernholzboden. Die Sofasitzecke und die Sessel waren dick
gepolstert und sahen bequem aus. In den Regalen rechts und links des gemauerten
Kamins standen einige hundert Bücher in bunten Schutzumschlägen. Und über dem
Kamin hingen ein paar alte Flinten an

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