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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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wie »My Library of Memories« und
»The Cellar of Despair«. (Rickys Songs haben, wenn überhaupt, eines gemeinsam,
und das ist ein gewisser architektonischer Touch.)
    Ripinsky hielt mir die Tür auf, und wir
betraten das Lokal. Der Lärm war ohrenbetäubend. Die Leute schrien, um die
Musik zu übertönen, und im Barraum feuerte eine Menge zwei Armdrücker bei ihrem
Zweikampf an. Wärme und Luftfeuchtigkeit hatten fast tropische Grade. Und der
Qualm konnte es mit dem L. A.-Smog an schlechten Tagen aufnehmen.
    Ich sah Hy an. Er antwortete mit einem
»Was-soll-ich-dazu-sagen?«-Blick und schob mich Richtung Bar. Die Zuschauer
heulten auf, als einer der Wettkämpfer den Arm des Gegners auf den Tisch
gedrückt hatte. Der Verlierer stöhnte laut und brüllte dann, die nächste Runde
gehe auf seine Kosten.
    Wir fanden am Ende der Bar zwei Plätze
mit Blick auf den See und bestellten Budweiser. Als das Bier vor uns stand,
lehnten wir uns mit dem Rücken an die Bar und sahen uns nach Lily Nickles um.
Ihr Jeep war uns draußen aufgefallen, aber hier drinnen war nichts von ihr zu
sehen. Für eine Unterhaltung war es zu laut, und so nippten wir nur an unserem
Bier. Ich nagte dazu eine Brezel — seit elf Uhr vormittags hatte ich nichts
mehr gegessen. Als wir ausgetrunken hatten, beugte sich Ripinsky zu mir und
schrie: »Vielleicht tanzt sie. Drehen wir auch eine Runde?«
    Ich zögerte — es war ein paar Jahre
her, seit ich das letzte Mal getanzt hatte — , sagte dann aber: »Warum nicht?«
und folgte ihm. Während ich meine Jacke an einen Garderobenhaken in der Nähe
der Tür hängte, suchte er den Tanzboden nach Lily Nickles ab. Die Menschenmenge
hüpfte und schob sich dichtgedrängt über die Fläche. In dem schwachen Licht und
der tief herabhängenden Qualmwolke waren einzelne Gesichter nicht zu
unterscheiden. Hy zuckte mit den Schultern, griff meine Hand und zog mich
hinter sich her.
    Zuerst fühlte ich mich etwas
unbeholfen, aber er führte gut. Er bewegte sich locker und hatte ein gewisses
Western-Flair, ohne irgendwelche Verrücktheiten zu machen, die mich nur ins
Stolpern gebracht hätten. Sein schlanker, straffer Körper paßte gut zu meinem.
Es schien ganz natürlich, ihm so nahe zu sein.
    George, rief ich mir ins Gedächtnis.
George.
    Und meine innere Stimme rief zurück: Spiel nicht verrückt — du tanzt doch
nur!
    Die Gruppe spielte jetzt »Cobwebs in
the Attic of My Mind«. Ich hielt meinen Mund an Hys Ohr und gestand ihm, daß
ich durch Heirat zu einer Verwandten des Komponisten geworden sei. Das
amüsierte ihn, und er erzählte mir von seiner Cousine im Teenageralter, die
gerade versuche, eine neue Dolly Parton zu werden. »Sieht aus wie sie, große
Brüste und so weiter«, sagte er, »aber Auftritte hat sie nur mit der Hymne bei
Spielen der Little League.« Die Gruppe spielte noch einen Hit von Ricky Savage
— »You Can Leave My Bedroom but Not My Heart« — , und dann entdeckte ich Lily
Nickles.
    Drüben bei den Fenstern am anderen Ende
der Tanzfläche hing sie einem kurzgewachsenen Burschen in Western-Montur am
Hals. Ihr kurzgeschnittener Schopf lag auf seiner Schulter, und mit dem Arm,
den er um sie geschlungen hielt, hatte er ihr Sweatshirt ein Stück hochgezogen.
Man sah ein paar Zentimeter nackte Haut. Der Mann liebkoste ihren Hals, und
Lily kicherte und stolperte. Ich tippte Ripinsky auf die Schulter und zeigte
auf die beiden.
    Er sah hin und zog eine Grimasse. »Ich
fürchte, in der Verfassung kriegen wir nicht viel aus ihr heraus. Sind beide
voll — und das so früh am Abend.«
    Ich nickte und sah, wie der Mann etwas
in Lilys Ohr flüsterte. Sie kicherte wieder, und er schob sie tanzend zu einer
Seitentür. Als sie die Tanzfläche verließen, torkelte sie, und er mußte sie
halten. Die beiden gingen hinaus und ließen die Tür hinter sich offen.
    »Wohin geht es da?« fragte ich Hy.
    »Auf den Balkon, und runter zum
Anlegeplatz.« Jetzt runzelte er die Stirn. »Normalerweise würde ich mich da
nicht einmischen, aber ich kenne den Kerl. Fährt einen Tanklastzug, mit dem er
die Tankstelle beliefert, die Earl Hopwood betrieben hat. Ein gemeiner
Schweinehund, so klein er ist. Und ich habe Lily nie so betrunken gesehen, daß
sie sich kaum auf den Füßen halten konnte.«
    »Dann schnappen wir doch selber ein
wenig frische Luft. Gehen Sie vor. Ich hole mir meine Jacke und komme nach.«
    Als ich ihn auf dem Balkon eingeholt
hatte, war von Lily Nickles und ihrem Freund nichts zu sehen. Wir gingen

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