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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Lullte
die Trottel in ein falsches Sicherheitsgefühl ein und nahm sie dann aus bis auf
den letzten Cent. Ein eiskalter Schweinehund. Ein Autor hat ihn einmal als
einen Mann beschrieben, der keine Gefühle kannte — nur Wachsamkeit. Eisig und
total konzentriert, das war der alte Frank.«
    Total konzentriert, vielleicht
besessen. So, wie Rose Wittington Earl Hopwood beschrieben hatte. Ein
Fanatiker, wie Sanderman Ripinsky genannt hatte. Aber war Sanderman nicht auch
ein Besessener, auf seine Art?
    Wie wurde man so? Gut, der Verlauf von
Earl Hopwoods Leben lieferte eine Antwort darauf: Zuerst hatte er seine junge
Frau verloren. Dann hatte er mit seiner besitzergreifenden Art die einzige
Tochter vertrieben. Und Sanderman hatte sich nach einer schmerzlichen Scheidung
in seine Tätigkeit als Umweltschützer gestürzt. Auch Hy hatte die Frau
verloren, und es mußte zuvor schon Dinge gegeben haben, die ihn verbittert und
zum Rückzug gezwungen hatten — Dinge, von denen ich keinerlei Vorstellung
hatte.
    Ich sagte: »Leute, deren Träume
gestorben sind.«
    »Wie bitte?«
    »So hat Lily die Leute auf dem Friedhof
von Promiseville genannt. Wenn Träume sterben, wird das Leben enger. Man zieht
sich in sich zurück, wird von etwas besessen, wie Hopwood.«
    »Sie denken dabei wirklich an Earl,
McCone? Oder sprechen Sie vielleicht von mir?«
    In Hys Stimme klang ein rauher Unterton
mit, ein Anflug von Paranoia. Ich dachte an Anne-Maries Charakterisierung. »Er
ist noch immer gefährlich.«
    Im Boot war jetzt eine Spannung zu
spüren. Er preßte seine Bierdose zusammen und warf sie unter die Sitzbank. Als
er nach einer neuen griff, rückte ich zur Seite, damit er nicht meine Knie
berührte.
    »Nun?« fragte er.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich
könnte genausogut von mir reden.«
    Er brummte ungläubig.
    Aber es stimmte — obwohl ich das bis
jetzt nicht zugegeben hätte. Vor kurzem erst hatte ich jede Menge
Lippenbekenntnisse abgegeben, wie geregelt mein Leben doch verlief, seit George
und ich zusammen waren. Anne-Marie hatte kräftig nachbohren müssen, ehe ich
auch meine Bedenken artikulierte, wohin diese Beziehung führen konnte. Aber
Ereignisse, mit denen ich zu tun bekommen hatte, hatten mich verändert, seit
George und ich zusammen waren, und wenn diese Veränderungen auch subtil waren,
so gingen sie doch in die Tiefe.
    Ich nahm meine Bierdose, trank und
wiegte sie in den Händen. Aus dem Wäldchen erscholl der Schrei eines Tieres —
plötzlich, schrill, als wäre es gerade zur Beute geworden. Der Schrei hallte
als Echo zurück, und ein Schaudern lief mir über den Rücken.
    Ich zitterte und schloß die Augen vor
dem blutroten Schein auf dem Wasser. Mir fiel mein erster Eindruck vom Tufa
Lake wieder ein: ein Ort, an dem Echos lebendig werden. In meinem Bewußtsein
gab es auch so einen Ort, an dem die Vergangenheit immer wieder lebendig
wurde...
    Hy sagte: »Heraus damit. Sprechen Sie
darüber, McCone.«
    »Worüber?«
    »Was gerade an Ihnen nagt.«
    Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich
wußte, daß er mich kaum sehen konnte. Ich öffnete die Augen, weil sogar der
blutige Schein auf dem Wasser dem vorzuziehen war, was an Szenen sich in meinem
Innern abspielte. Das Schweigen dehnte sich aus, wurde bedrückend. Und dann
hörte ich mich sprechen, schnell und kaum mehr als flüsternd.
    »Im vergangenen Jahr habe ich beinahe
zwei Menschen umgebracht.«
    Er wartete.
    »Der eine war der übelste Mensch, der
mir je über den Weg gelaufen ist. Der andere hatte gerade auf einen meiner
besten Freunde geschossen. Nicht, daß mir diese Dinge fremd wären. Vor Jahren
habe ich einen Mann erschossen, weil ich keine andere Wahl hatte. Aber das hier
war... einfach anders.«
    »Wie war es?«
    »Beide Male habe ich es wirklich tun
wollen. Ich hatte mich völlig unter Kontrolle. Das einzige, was ich spürte, war
eine eiskalte Wut. Ich wollte sie... richten.«
    »Aber Sie haben es nicht getan.«
    »Nein, aber ich war verdammt nahe
daran, und das hat seine Nachwehen. Beim ersten... ich habe noch immer
Alpträume, in denen ich den Abzug durchziehe. Beim zweiten... waren Leute dabei,
Leute, die ich mag. Sie haben jene Seite von mir gesehen, die ich verborgen zu
halten suche. Und das hat vieles verändert.«
    »In den Augen dieser Leute sind Sie
jetzt eine Außenseiterin.«
    »Es ist, als hätte ich eine Linie
übertreten, und sie könnten mir nicht folgen. Keiner hat je ein Wort darüber
verloren, aber das ist auch nicht nötig. Da ist

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