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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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überfiel uns eine gewisse Mattigkeit. Ich sah eine Weile zur
Balkontür und ließ noch einmal die Ereignisse der vergangenen Nacht an der
Anlegestelle an mir vorbeiziehen. Als Anne-Marie nach der Rechnung rief,
seufzte ich erleichtert auf.
    Es war noch erstaunlich warm, fast
schwül, und am Himmel hing eine schwere Wolkendecke. Ein paar Minuten standen
wir noch auf dem Parkplatz und unterhielten uns. Anne-Marie sah müde aus von
ihrer langen Wanderung. Doch nachdem wir das Restaurant verlassen hatten, war
meine Energie zurückgekehrt. Hy schien es genauso zu gehen. Er schlug vor, im
Swifty Mart ein paar Sechserpacks zu kaufen und in der Hütte, ungestört von
Rose, die Dinge noch einmal durchzugehen. Ich war einverstanden, Anne-Marie war
es so oder so egal, und so setzten wir uns wieder zusammen und kauten noch
einmal in allen Einzelheiten durch, was wir über die Vorgänge im Stone Valley
wußten. Es endete mit einigen Budweisern und keinerlei nutzbringenden
Schlußfolgerungen. Seit einer halben Stunde war Anne-Marie in ihrem Sessel
eingeschlafen. Kurz vor zwei erhob sie sich und stolperte unter ein paar
gemurmelten Entschuldigungen ins Bett.
    Hy war noch immer in Fahrt. Er stand
auf und sagte: »Fahren wir eine Runde, McCone.«
    Die Idee gefiel mir. Ich war zu
aufgedreht von unserem ergebnislosen Brainstorming, um schlafen zu können.
»Okay«, willigte ich ein, stand auf und griff nach meiner Jacke.
    Hy ergriff, was von dem zweiten
Sechserpack noch übrig war, und ging zur Tür. Die Bierdosen baumelten an ihren
Plastikringen. Ich folgte ihm und wollte schon gegen Trinken beim Fahren
protestieren, aber als wir draußen waren, schlug er den Weg zum See ein.
    »Was soll ...?«
    »Eine Runde mit dem Boot, McCone. Ich würde mich doch jetzt nicht ans Steuer
setzen.«
    »Aber wohin —?«
    »Still — Sie wecken ja das ganze
Nordufer auf.« Er wartete, bis ich die Tür hinter mir abgeschlossen hatte, und
führte mich dann den Abhang zur Anlegestelle hinunter, deren einsames rotes
Warnlicht blutige Flecken auf das Wasser warf. Ein Ruderboot war am Steg
festgetäut. Hy reichte mir das Bier und ließ mich einsteigen. Dann machte er
das Tau los, kletterte an Bord und stieß uns vom Dock ab.
    »Wohin geht die Reise?« fragte ich und
ließ mich auf dem Mittelsitz nieder.
    »Nirgendwohin. Wir lassen uns treiben.«
Er setzte sich vorne schräg auf die Bank. »Geben Sie mir ein Bier?«
    Ich reichte ihm eine Dose und nahm mir
selbst eine. Das Plop der Verschlüsse klang laut durch die Nachtstille. Sonst
war nur ein leises Rauschen in den Bäumen und das sanfte Plätschern des Wassers
zu hören.
    »Schrecklich still, nicht?« sagte ich.
    »Mögen Sie keine Stille?«
    Ich dachte an eine andere dunkle Nacht
vor nicht langer Zeit und erinnerte mich an plätscherndes Wasser und rauschende
Bäume und den furchtbaren, unwiderruflichen Knall eines Schusses. »Manchmal
geht es mir so.«
    Falls er eine Gefühlsschwankung in
meiner Stimme gehört hatte, ließ er es sich nicht merken. Er hob seine Bierdose
zum Mund und trank. Ich tat es ihm nach, stellte die Dose neben mich auf die
Bank und kuschelte mich in meine Wildlederjacke.
    »Alsdann«, sagte Hy schließlich, »was
denken Sie wirklich?«
    »Über die Situation hier?«
    »Hm. Ich hatte das Gefühl, Sie hielten
etwas zurück, als wir uns in der Hütte unterhielten. Wahrscheinlich wollten Sie
Anne-Marie nicht beunruhigen.«
    »Ich halte eigentlich nichts zurück,
jedenfalls nichts Konkretes. Es ist mehr ein Gefühl, wie man es kriegt, wenn
irgend etwas nicht in Ordnung ist, man aber noch nicht genau weiß, was.«
    »Ja, das kenne ich.«
    »Der Deckname ›Tarbeaux‹, den Erickson
gebraucht hat — nach dem, was Ned so erzählt hat, könnte ich mir denken, er hat
sich einen Spaß daraus gemacht. Ned sagte, er habe schon einen ausgeprägten
Sinn für Humor gehabt, aber von der subtilen, gebildeten Art. Es muß ihm Spaß
gemacht haben, das Landvergabebüro an der Nase herumzuführen.«
    »Aber warum? Warum das Land nicht unter
seinem eigenen Namen eintragen lassen?«
    »Ich nehme an, wegen seiner Person und
Herkunft. Vielleicht wegen seiner Verbindung zur Transpacific. Wir werden es
erst wissen, wenn wir mehr über ihn erfahren haben. Was ist mit dem richtigen
Tarbeaux, Hy? Haben Sie noch etwas über ihn gelesen, nachdem Ihnen klargeworden
war, woher Sie den Namen kannten?«
    »Nur das, was ich Ihnen in dem Buch
gezeigt habe. Er hat Karten gespielt, und zwar ausschließlich um Geld.

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