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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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auseinandergelebt?«
    »Ja.«
    »Fühlten Sie sich eingeengt?«
    »Das auch.«
    »Sie haben beschlossen, Ihre Verbindung
zu beenden, solange Sie beide noch jung genug waren?«
    »So ist es.«
    »Also, obwohl ich Katholikin bin, habe
ich stets das Gefühl gehabt, daß das dann der richtige Schritt ist. Das Leben
ist zu kurz, als daß man es sich durch Schwüre ruinieren dürfte, die man
einander in einem Alter gab, in dem man ihre Bedeutung noch nicht erkannte.
Selbst wenn sie im Angesicht Gottes geschworen wurden.«
    Plötzlich wußte ich, was die Leute
meinten, wenn sie sagten: »Da verschlug es mir die Sprache.« Bei uns wurde über
eine Scheidung so gejammert, als handle es sich um einen Todesfall in der
Familie. ›Scheidung‹ war ein Unwort wie all die anderen einschlägigen, die mit
›Sch...‹ anfingen.
    »Ich bin froh, daß Sie Verständnis
haben«, sagte George. Dann warf er mir einen amüsierten Blick zu und ging den
Salat schleudern.
    »Ein sehr netter Mann«, sagte Ma, als
er außer Hörweite war. »Vernünftig. Keif. Natürlich sind auch sein gutes
Aussehen und das Geld noch Pluspunkte.« Sie wies mit der Hand auf den
Durchbruch zum Eßzimmer, wo ein schön gedeckter Tisch inklusive Kerzenleuchter
und Schnittblumen zu sehen war. »Mir gefallen Männer, die auch für sich selbst
ein nettes Haus führen.«
    Den ganzen Tag hatte ich gebetet, daß
sie George akzeptieren möge, doch jetzt mußte ich mir auf die Zunge beißen, um
nicht zu verraten, daß seine Putzfrau es gewesen war, die den Tisch gedeckt und
die letzten Vorbereitungen getroffen hatte.
    Das Dinner verlief wunderbar. Das Stew
war perfekt, und George hatte sogar daran gedacht, es aus der verräterischen,
backofen- und mikrowellengeeigneten Verpackung herauszuholen und einer
Kasserolle anzuvertrauen. Beim Essen plauderte ich über meine Fahrt zum Tufa
Lake, ließ aber den Teil mit dem Mord aus, der beide nur beunruhigt hätte und
ohnedies kein geeignetes Thema für ein Tischgespräch war. Dann erzählte George Ma
von seinem nächsten Buch: ein Handbuch zur Selbsthilfe in Verhaltensfragen,
zusammengestellt aus klassischen und modernen Forschungsergebnissen
verschiedener Herkunft. Ma schien fasziniert und wollte mehrfach wissen, »zu
welchem dieser kleinen Kreise, in die Sie die Leute einteilen«, sie wohl
gehöre. Als George meinte, sie passe in eine Gruppe, die er mit dem Etikett
›Führungspersönlichkeiten‹ versehen habe, schien sie zufrieden. Ich mußte mir
ein Stück Biskuit in den Mund stopfen, um nicht herauszuplatzen, daß zu den
weniger angenehmen Attributen dieser Kategorie auch Skrupellosigkeit,
Herrschsucht und Größenwahn gehörten.
    Nach dem Dinner nahmen wir den Kaffee
und das Dessert mit ins Wohnzimmer hinüber. Ma war ein wenig stiller geworden,
aber das lag in meinen Augen nur daran, daß sie auf die Fragen, deretwegen sie
hergekommen war, ihre Antworten bekommen hatte. Sie entschuldigte sich und zog
sich auf die Toilette am anderen Ende des Flurs zurück, war aber so schnell
wieder da, daß ich wußte, sie konnte nicht im Bad und Schlafzimmer unseres
Gastgebers nach meiner Zahnbürste und meinem Morgenmantel gesucht haben. Und
bis zum Ende des Abends stellte sie auch keine peinlichen Fragen nach Georges
Intentionen in bezug auf mich. An der Tür küßte sie ihn auf die Wange, sagte
ihm, er könne sie ab jetzt Katie nennen, und machte sich auf den Weg die Treppe
hinab — diesmal ohne Klagen über ihre armen alten Glieder. Wir waren schon auf
halbem Weg zu mir nach Hause, als mir einfiel, daß ich vergessen hatte, George
für die gelbe Rose zu danken, die er mir heute morgen ins Büro geschickt hatte.
    Als wir zu Hause ankamen, schien Ma
noch nicht geneigt, zu Bett zu gehen. Ich machte also Feuer und fragte sie, ob
sie Tee oder noch einen Kaffee wolle.
    »Hast du keinen Brandy?« fragte sie.
    Ich wußte nicht, ob sie noch mehr
Alkohol zu sich nehmen sollte. Aber irgendwie ist es schwierig, der eigenen
Mutter so etwas vorzurechnen, und deswegen holte ich ihr ein Gläschen und mir
ein Glas Wein. Ma saß im Schaukelstuhl am Kamin, auf ihrem Schoß die zu einer
Kugel zusammengerollte Allie.
    »Du meinst also«, sagte ich mit dem
unvernünftigen Drang, sie ein wenig zu piesacken, »ich sollte mit George
zusammenziehen?«
    »Du könntest schlimmere Sachen machen.
Er ist ein guter Mensch und hat eine sehr nette Wohnung.« Sie sah sich in
meinem selten benutzten Besuchszimmer um. »Aber das Haus hier würde ich nicht
verkaufen. Es

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