Niemandsland
Mick Erickson und seiner Verwendung des Namens Tarbeaux
wußte, wurde er noch ärgerlicher und forderte mich auf zu verschwinden. Ich
sagte, ich würde ihn am nächsten Tag anrufen, um ihm Zeit zu lassen, sich mit
Ong in Verbindung zu setzen. Aber ich war sicher, er würde dann — ob er nun mit
Ong gesprochen hatte oder nicht — eine Entschuldigung vorschieben, um nichts
mehr mit mir zu tun haben zu müssen.
Eigentlich war ich froh, mich von
Knight verabschieden zu können. Ich mußte über das, was ich erlauscht hatte,
nachdenken. Der Schock, den es mir vorhin versetzt hatte, Ripinskys Stimme zu
erkennen, ließ langsam nach, und ich fragte mich, was Hy sich wohl dabei
gedacht hatte, als er an jenem Morgen freiwillig mit Namen und Telefonnummer
des Geologen herausgerückt war. Hatte er angenommen, die Verbindung sei so gut
getarnt, daß ich ihr nie auf die Schliche kommen würde? Oder hatte er Knight
gewarnt und von ihm verlangt, jede Verbindung zu leugnen? Wie dem auch sei, er
bewegte sich dadurch, daß er mir einen Kontakt zu ihm ermöglichte, auf
gefährlichem Grund. Aber ich hielt Ripinsky nicht für einen Mann, der Gefahren
scheute — nicht, wenn es seinen Plänen nützte, welcher Art sie auch immer
waren.
Die Frage war nur, was ich jetzt im
Hinblick auf Ripinsky unternehmen sollte. Anne-Marie und Ned Sanderman mußten
von seiner Verbindung zu Ong und seinem Geologen erfahren. Andererseits war gar
nicht sicher, ob ich ihnen tatsächlich einen Gefallen tat, wenn ich ihnen das
ohne weitere Beweise erzählte. Anne-Marie konnte noch nie ihre Gefühle
verbergen, und selbst wenn sie es versuchte, würde sie den Zorn, den sie gegen
Ripinsky empfinden mußte, nur höchst unzulänglich beherrschen können. Auch
Sanderman hielt ich für keinen guten Schauspieler. Er würde wahrscheinlich bei
Gelegenheit einfach mit dem herausplatzen, was er wußte. Ripinsky mit seiner
mysteriösen und wahrscheinlich gewalttätigen Vergangenheit wiederum könnte,
wenn man ihn herausforderte, für die beiden zu einer Bedrohung werden. So kam
ich zu dem Schluß, ihnen vorerst noch nichts von meinem Verdacht zu sagen.
Als ich beim Einkaufszentrum oben an
der Portola ankam, war die Nacht hereingebrochen. Ich sah auf die Uhr und
stellte überrascht fest, daß es schon nach sieben war. Ma, dachte ich
schuldbewußt. Ich bog auf den Parkplatz ein, um sie anzurufen und ihr zu sagen,
daß ich auf dem Heimweg war.
Aber ich wollte auch noch einmal an
Ongs Haus vorbeifahren und nachsehen, ob er inzwischen zurück war. Und um auf
alle Fälle ein Auge auf den Ort des Geschehens zu werfen. Ich hatte noch keine
Ruhe — war viel zu nervös, um den Abend mit meiner Mutter und der jüngsten
McCone-Krise zubringen zu können.
Bei mir zu Hause nahm niemand ab. Ich
versuchte es bei George, denn sie konnte ja noch bei ihm sein, erreichte aber
nur seinen Anrufbeantworter. Schließlich rief ich All Souls an in der Hoffnung,
sie könnte dort eine Nachricht hinterlassen haben.
»Eine Nachricht von deiner Mutter?« Ted
klang amüsiert. »Nein, aber ich stelle in dein Büro durch, dann kannst du mit
ihr reden.«
»Augenblick mal — Ma sitzt in meinem
Büro?«
»Hm. Sie, George, Rae und Hank. Und ab
und zu noch ein paar andere. Sie und dein Allerliebster haben den Tag
miteinander verbracht — ich habe da etwas vom Cable Car gehört und von
Eiskrem-Sodas am Ghirardelli Square. Nachdem es ihnen nicht gelang, dich
aufzutreiben, wollte sie von ihm hierhergebracht werden. Sie wolle dein neues
Büro sehen, sagte sie, egal, ob du nun da seist, um es ihr vorzuführen oder
nicht.«
»Mein Gott. Armer George.«
»Da würde ich mir keine Gedanken machen
— mir macht er ganz den Eindruck, als gehe es ihm gut. Ihnen allen geht es gut.
Sie haben gerade darüber diskutiert, ob sie sich nicht etwas von dem Mexikaner
kommen lassen sollten, der diese Knoblauch-Hähnchen macht.«
»Was macht sie für einen Eindruck? Ist
sie wütend, weil ich den ganzen Tag weg war?«
»Das bezweifle ich. Alle hier mögen
sie, und sie sonnt sich in der Aufmerksamkeit. Sie hat Familienfotos
herumgezeigt — auch das von dir als nacktem, dünnem Baby — , und im Moment
unterhalten die anderen sie mit Sharon-Geschichten.«
Sharon-Geschichten — das war genau das,
was Ma unbedingt hören wollte. »Mein Leben ist ein einziger Schiffbruch«, sagte
ich zu Ted. »Kannst du mich mit meinem Büro verbinden?«
Er tat mir den Gefallen. Sofort meldete
sich eine Stimme: »Hier Miss McCones Büro,
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