Niewinter 01 - Gauntlgrym
entsetzt hoch, dass jeder Umstehende gemeint hätte, der arme Zwerg wäre mit dem Gesicht in einem Säurebad gelandet. Doch er blieb mitten im Bach stehen und schüttelte das Wasser von sich ab. Immerhin hatte Bruenor sein Ziel erreicht. Pwent war die Rauflust vergangen.
»Warum hast du das getan, mein König?«, flüsterte Pwent schließlich todunglücklich.
»Weil du stinkst und weil ich nicht mehr dein König bin«, erwiderte Bruenor, während er zum Ufer zurückwatete.
»Warum?«, fragte Pwent. In seiner Stimme schwang so viel Verwirrung und Schmerz mit, dass Bruenor im kalten Wasser stehen blieb und sich nach seinem treuen Schlachtenwüter umsah.
»Warum?«, wiederholte Thibbledorf Pwent.
Bruenor blickte zu den anderen drei auf – vier, wenn man Guenhwyvar mitzählte –, die von der Böschung aus auf die Zwerge herabsahen. Mit einem tiefen Seufzer streckte der »tote« König von Mithril-Halle seinem alten Schlachtenwüter die Hand hin.
»Es ging nicht anders«, erklärte Bruenor, als er mit Pwent das Steilufer erklomm. »Alles andere wäre Banak gegenüber unfair gewesen.«
»Banak musste nicht König werden«, widersprach Pwent.
»Ja, aber ich konnte nicht mehr König sein. Ich habe damit abgeschlossen, alter Freund.«
Dieses letzte Wort ließ beide innehalten, und als seine Bedeutung sich auf ihre starken Schultern senkte, stapften sie Arm in Arm das letzte Stück nach oben.
»Mein Hintern hat zu lange am Thron geklebt«, erläuterte Bruenor, während sie an den anderen vorbeiliefen und zu den Steinen zurückkehrten. »Ich weiß nicht, wie viele Jahre mir noch bleiben, aber ich suche immer noch nach ein paar Dingen, und die finde ich nicht in Mithril-Halle.«
»Dein Mädchen und den mickrigen Halbling?«, fragte Pwent.
»Ja, aber bring mich nicht zum Heulen«, warnte Bruenor. »Und so Moradin will, werde ich sie eines Tages wiedersehen, wenn nicht in diesem Leben, dann in seinen großen Hallen. Aber es gibt da noch etwas.«
»Was denn?«
Bruenor stemmte noch einmal die Hände in die Hüften und blickte über das weite Land im Westen, das nördlich von hohen Bergen und südlich von deren immer noch beeindruckenden Ausläufern eingerahmt wurde.
»Ich hoffe auf Gauntlgrym«, gestand Bruenor. »Aber letztlich geht es nur um die Straße und den Wind in meinem Gesicht.«
»Du gehst also fort? Du gehst für immer und kommst nie mehr zurück?«
»Das tue ich«, bekräftigte Bruenor. »Ich gehe fort und komme nicht zurück, niemals. Mithril-Halle gehört jetzt Banak, und das kann ich nicht rückgängig machen. Für meine Sippe – unsere Sippe – und in den Annalen aller Könige der Silbermarken wird es für immer heißen, dass König Bruenor Heldenhammer im Jahr der wahren Vorzeichen starb, am fünften Tag des sechsten Monats. So sei es!«
»Und du hast es mir nicht verraten«, stellte Pwent fest. »Du hast es dem Elf erzählt und dem Gnom und einer stinkenden Ork-Frau, aber nicht mir!«
»Ich habe es denen erzählt, die mich begleiten werden«, sagte Bruenor. »In Mithril-Halle weiß es nur Cordio, aber der hält dicht, darauf kann man sich verlassen.«
»Nur dem alten Pwent hast du nicht vertraut.«
»Du brauchtest es nicht zu wissen. Das war das Beste für dich.«
»Zu sehen, wie mein König, mein Freund, unter den Steinen verschwindet?«
Bruenor seufzte. Diesmal wusste er keine Antwort. »Nun, jetzt vertraue ich dir, denn du lässt mir keine andere Wahl. Du dienst jetzt Banak, aber dir sollte klar sein, dass du niemandem in Mithril-Halle einen Gefallen tust, wenn du es ihm erzählst.«
Bei Bruenors letzten Worten schüttelte Pwent nachdrücklich den Kopf. »Ich habe König Bruenor gedient, meinem Freund Bruenor«, sagte er. »Mein Leben für meinen König und für meinen Freund.«
Diesem Schwur wusste Bruenor nichts entgegenzusetzen. Er schaute Drizzt an, der nur lächelnd die Schultern hob, dann Nanfoodle, der eifrig nickte, und schließlich Jessa, die erklärte: »Nur wenn ihr mir hin und wieder eine anständige Rauferei versprecht. Ich liebe es, wenn Zwerge einander den Bierdunst aus den Knochen prügeln.«
»Pah!«, schnaubte Bruenor.
»Und wohin jetzt, mein Kö…, mein Freund?«, fragte Pwent.
»Nach Westen«, sagte Bruenor. »Ganz nach Westen. Für immer nach Westen.«
Teil 1
Weckruf an einen erbosten Gott
Es wird Zeit, das Wasser der Vergangenheit an ferne Küsten fluten zu lassen. Obwohl jene Freunde unvergesslich bleiben, dürfen sie nicht mehr Tag und Nacht durch
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