Niewinter 01 - Gauntlgrym
durchzog.
Es kommt mir lächerlich vor, aber nur durch Kämpfen kann ich den Schmerz ertragen. Nur im Kampf finde ich jenes Gefühl von Vollkommenheit wieder, von Voranschreiten und dem Ringen um eine bessere Gesellschaft.
Diese Einsicht überrascht mich, und sie ärgert mich. Es ist paradox, doch während sie mir Hoffnung spendet, den Kampf fortzusetzen, weckt sie zugleich den Gedanken, dass ich vielleicht genau das nicht tun sollte, dass dieses Leben letztlich doch vergeblich ist, ein Trugbild, reine Selbsttäuschung.
Wie Bruenors Suche.
Ich glaube nicht, dass er Gauntlgrym noch findet. Ich zweifle an seiner Existenz, und ich bezweifle, dass er selbst noch daran glaubt, dass er es finden könnte, oder überhaupt je daran geglaubt hat. Und dennoch brütet er jeden Tag über seinen Karten und Hinweisen und erforscht jedes einzelne Loch. Es ist seine Mission. Diese Suche gibt dem Leben von Bruenor Heldenhammer einen Sinn. Sie scheint seiner Natur zu entsprechen, der Natur aller Zwerge, die immer von der Vergangenheit sprechen und die glorreichen Tage von einst besingen.
Und was liegt in der Natur der Drow?
Schon ehe ich meine geliebte Catti-brie und meinen guten Freund, den Halbling, verloren hatte, wusste ich, dass ich ein unruhiges Geschöpf bin, voller Unrast. Ich wusste, dass ich zum Krieger geboren bin. Ich wusste, dass ich am glücklichsten bin, wenn das Abenteuer ruft und meine Kampfkünste einfordert, die ich mein Leben lang geschärft habe.
Jetzt genieße ich das Kämpfen umso mehr. Liegt das an meinem Verlust und dem Schmerz, oder ist es nur ein ehrlicheres Spiegelbild meines Erbes?
Und wenn es so ist – werde ich mit der Zeit weniger Anlass zum Kämpfen brauchen? Wird das Ehrgefühl, das meine Säbel lenkt, nachlassen, um mehr glückliche Momente zuzulassen? Ich frage mich – und wieder fürchte ich die Antwort –, wie weit meine angeborene Kampflust die Entscheidungen meines Gewissens beeinflusst. Greife ich inzwischen unbekümmerter zur Waffe?
Das ist meine wahre Angst. Dass der Zorn in mir in all seinem Wahnsinn überhandnimmt, explosionsartig, wahllos und mordgierig.
Meine Angst?
Oder meine Hoffnung?
Drizzt Do’Urden
10
Der Kampf gegen die Finsternis
Das Jahr der Elfentränen (1462 DR)
»Da kommen sie! Nur Mut, Leute, haltet die Stellung!«, rief der Karawanenführer den Männern und Frauen zu, die sich kampfbereit in und neben den Wagen verbargen. Das Dickicht am Straßenrand raschelte laut, als ihre Feinde heranstürmten.
»Grapscher«, sagte ein Mann. Das war seine persönliche Bezeichnung für die schnellen, beweglichen Untoten, welche sich in dieser Gegend festgesetzt hatten.
»Staubtreter«, stellte ein anderer richtig. Auch dieser Name schien zu passen, denn die untoten Räuber hinterließen beim Gehen graue Spuren, als ob jeder Schritt direkt aus der Asche einer ausgebrannten Feuerstelle käme. Gerüchten zufolge war es auch so: Angeblich handelte es sich um die wiederbelebten Leichen derer, die vor zehn Jahren an der Vulkanasche erstickt waren.
»Wache!«, brüllte der Anführer, nachdem einige angespannte Momente verstrichen waren, ohne dass der Feind besser in Sicht kam. »Geh und kundschafte den Waldrand aus.«
Der angeheuerte Wachmann, ein stämmiger alter Zwerg, dessen orangeroter Bart von Silberfäden durchzogen war, trug einen Schild mit Wappen, einem schäumenden Bierkrug, eine schartige Axt und einen Helm mit nur einem Horn. Er warf dem Karawanenführer einen skeptischen Blick zu.
Der Mann schluckte angesichts dieses vernichtenden Urteils, war aber mutig genug, noch einmal zu den Bäumen zu zeigen.
»Ich hab’s dir gesagt, als du mich eingestellt hast«, warnte ihn der Zwerg. »Du kannst mir vielleicht sagen, gegen was ich kämpfen soll, aber du sagst mir nicht, wie ich kämpfen soll.«
»Wir können doch nicht hier herumsitzen und warten, was sie aushecken!«
»Aushecken?«, erwiderte der Zwerg laut lachend. »Die sind mausetot, du Esel. Die hecken gar nichts aus.«
»Und wo sind sie dann?«, rief ein anderer verzweifelnd.
»Vielleicht sind sie gar nicht da draußen. Vielleicht ist es ja nur der Wind«, sagte eine Frau aus einem der hinteren Wagen.
»Sind alle kampfbereit?«, fragte der Zwerg. »Habt ihr eure Waffen in der Hand?« Er sah den Anführer an, der sich aufgerichtet hatte, die fünf Wagen überblickte und nickte.
Bruenor stand auf, steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen lauten Pfiff aus.
Alle außer ihm duckten sich instinktiv,
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