Niewinter 02 - Salvatore, R: Niewinter 02 - Neverwinter
anderen. Sie wusste, was hier auf dem Spiel stand. Ihre Kundschafter hatten ihre Befürchtungen bestätigt: Der Urelementar war wieder von einer Horde Wasserelementare und der verbliebenen Magie aus dem Hauptturm des Arkanums eingekerkert. Damit würde es keine zweite Eruption von elementarem Ausmaß geben, und der Boden unter ihren Füßen bebte nicht mehr jeden Tag.
Ihre Feinde hatten die Katastrophe abgewendet.
Sylora starrte in die Asche und konnte schon fast spüren, wie sie abnahm. Sie hatte mit einem Vulkanausbruch gerechnet, der ihr magisches Werk, den Todesring, stärken sollte, welcher sich vom Tod nährte.
Noch immer trat sie von einem Fuß auf den anderen. Nicht nur sie verstand, dass sie gescheitert war, sondern auch das Wesen, welches sich hinter dem schwarzgrauen Schleier näherte.
Sylora hörte ihr eigenes Herz in der Brust pochen. Hinter ihr schluckte Jestry Rallevin, der fanatische Ashmadai, der inzwischen ihr engster Vertrauter war.
»Ich fühle ihn«, flüsterte er. Jestry Rallevin war kein gewöhnlicher Ashmadai. Obwohl er noch jung war – kaum zwanzig – und ziemlich unerfahren, zollten alle anderen Ashmadai-Jünger ihm Respekt. Das lag sowohl an seinem faszinierenden Äußeren mit den breiten Schultern, den dunklen Haaren und den stechenden dunklen Augen als auch an seiner Bereitschaft, sich rückhaltlos für die Sache einzusetzen. Und er war ein ausgezeichneter Kämpfer, der nie das Gleichgewicht verlor und stets mit Präzision und Kraft zustieß. Wenn sie das nur vor den letzten Gefechten mit den Truppen von Nesseril gewusst hätte, warf sich Sylora im Stillen vor. Sie hätte Jestry benutzen können, um diese verschlagene Dahlia in Versuchung zu führen und die Hexe dann endgültig zu vernichten.
Dieser Gedanke erinnerte Sylora an Themerelis, einen anderen starken Mann an ihrer Seite, den sie mit Dahlia geteilt und den Dahlia getötet hatte, ehe sie in den Westen gekommen war. Sie musterte Jestry und maß ihn an Themerelis.
Kein Vergleich, befand sie. Dieser hier, ein echter Fanatiker, hätte Themerelis bei einem Kampf zu Kleinholz gemacht. Wäre ihm das auch mit Dahlia gelungen? Würde es ihm noch gelingen? Das war auf jeden Fall eine angenehme und fesselnde Vorstellung.
»Sylora, er kommt«, wiederholte Jestry.
Sylora nickte, antwortete aber nicht, weil sie davor zurückschreckte, die dumpfe Stille der toten Asche zu brechen. Sie hatte verstanden, dass Szass Tam nahte, seit er seine magische Energie auf ihren Todesring konzentrierte. Mit hängenden Schultern wartete sie außerhalb des Rings. Sie würde ihm nicht entgegengehen. Innerhalb des Todesrings war die Macht von Szass Tam einfach von unerträglicher Gewalt.
Sie hörte, wie Jestry sich hinter ihr nervös die Lippen leckte. Sylora wollte unbedingt, dass er damit aufhörte, brachte es aber nicht über sich, das auszusprechen.
Da nahte eine ausgezehrte menschenähnliche Gestalt unter einer schweren, schwarzen Robe mit Kapuze. Irgendwie war die Gestalt noch düsterer als der Todesring, durch den sie glitt.
»Ich hatte nicht das Vergnügen, tausend Todesschreie zu vernehmen«, sagte der Lich mit seiner rauen, kratzigen Stimme. Zwei wütende, feurige Punkte starrten Sylora aus den Schatten heraus an. Die Gestalt waberte und verschwamm im Wirbel der magischen Asche. »Ich habe auch nichts vom versprochenen Erstarken meines neuen Reiches bemerkt.«
Sylora schluckte hörbar. »Wir haben Feinde vorgefunden …«
»Ich weiß von deinem Versagen.« Szass Tams Stimme legte sich wie eine Klaue um ihr Herz. »Ich weiß von der Schlacht in den Zwergenminen. Ich weiß alles.«
»Es gibt viele Gründe«, rief Sylora. »Und der Kampf ist noch nicht verloren!« Hier stockte sie und verzog das Gesicht, denn ihre letzten Worte klangen wahrhaft lächerlich.
»Ich war dort«, versicherte ihr Szass Tam. »Ich habe durch andere Augen zugesehen. Die Magie ist wiederhergestellt. Der Urelementar des Feuers sitzt wieder fest. Er wird nicht noch einmal befreit werden, jedenfalls weder bald noch leicht.«
Sylora schlug die Augen nieder. Ihre Schultern sackten noch weiter herab. »Ich habe dich enttäuscht«, sagte sie. Viele Herzschläge lang blieb sie so stehen und erwartete weitere Anschuldigungen. Sie rechnete mit einem schrecklichen Tod.
»Das hast du«, sagte Szass Tam schließlich.
»Es war doch nur eine Schlacht!«, rief Jestry von hinten.
Aus dem Todesring schoss ein knisternder, schwarzer Blitz an Sylora vorbei. Jestry fiel rücklings
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