Niewinter 4: Die letzte Grenze
gemacht. Diesen Weg würde ich wirklich gern fortsetzen – mit Dahlia und Ambergris, Afafrenfere und sogar mit Effron (vielleicht vor allem mit Effron!), selbst mit Artemis Entreri. In dieser Hinsicht habe ich das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein.
Aber ich liebe sie nicht.
Ich habe beschlossen, dass ich sie liebe, weil mir die Lenden brannten, und umso mehr, weil es in meinem Herzen so kalt war. Wieder einmal habe ich auf Innovindils Rat gehört, mein Leben in kurzen, intensiven Abschnitten zu führen, damit jedem Verlust eine Wiedergeburt folgen kann, ein neues Leben mit neuen, spannenden Beziehungen.
In diesem Rat mag Wahrheit stecken, und manch einem hilft er sicher auch.
Aber nicht mir (wie ich hoffe und fürchte). Ich kann mir neue Gefährten suchen, aber meine Freunde kann ich nicht ersetzen, und am allerwenigsten kann ich das Loch füllen, das der Tod von Catti-brie hinterlassen hat.
Nicht durch Dahlia.
Vielleicht durch niemanden?
Diese Wahrheit habe ich Dahlia bisher erspart, denn sie macht gerade genug durch. Ich glaube Effron, wenn er sagt, dass sie mit Artemis Entreri ins Bett gegangen ist. Es hat mich nicht überrascht. Was mich überraschte, war, wie wenig es mich störte.
Catti-brie ist immer noch bei mir, in meinen Gedanken und in meinem Herzen. Ich will nicht versuchen, mich mit einer anderen vor ihrer Gegenwart abzuschirmen.
Vielleicht werde ich mit der Zeit noch erkennen, welche Weisheit in Innovindils Worten lag. Aber es besteht ein grundlegender Unterschied zwischen dem Versuch, dem eigenen Herzen zu folgen, und dem, es zu lenken.
In jedem Fall ist mir jetzt klar, wohin mein Weg mich führt. Ich muss eine andere, gute Freundin zurückholen. Ich komme, Guenhwyvar. Ich hole dich an meine Seite zurück. Ich möchte wieder mit dir durch die Nächte streifen.
Oder bei dem Versuch umkommen.
Das gelobe ich.Drizzt Do’Urden
Kapitel 15
Auf der Jagd
Als die Elritze mit der Flut in den geschützten Hafen von Luskan einfuhr, wurde sie genau registriert.
Auf dem Balkon der Kommandozentrale von Schiff Kurth, dem Turm auf der Schanzeninsel, beobachteten Kurth und Beniago das Schiff aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Das allerdings wusste Hochkapitän Kurth nicht, denn er ahnte nicht, dass der große schlanke Mann mit den roten Haaren, der neben ihm stand, in Wahrheit ein Dunkelelf war und Bregan D’aerthe diente.
Für Hochkapitän Kurth versprach die Elritze eine Macht, die über die Mauern von Luskan hinausging. Wenn Drizzt und Dahlia und deren Begleiter für Schiff Kurth arbeiteten, bekam er Zugang zum Handel mit Letzthafen und konnte die Ereignisse im Umland von Luskan besser beeinflussen als seine vier Konkurrenten.
Für Beniago war all das nebensächlich, soweit es überhaupt eine Rolle spielte. Er hatte das getan, was Kimmuriel verlangt hatte, aber würden die wenigen Monate ausreichen, um seinen Cousin Tiago von Drizzts Fährte abzulenken?
So wie er Tiago kannte, hielt der maskierte Drow dies für unwahrscheinlich. Diese Sache mussten Tiago und Drizzt miteinander ausfechten, was auch immer Bregan D’aerthe dagegen zu tun versuchte. Vorläufig ging es also nur darum, den unvermeidlichen Zweikampf möglichst lange hinauszuzögern, damit Bregan D’aerthe ihn besser beeinflussen konnte. Allen Berichten zufolge machte Haus Xorlarrin in Gauntlgrym große Fortschritte, und darin sah der stets logisch und pragmatisch denkende Kimmuriel vor allem Chancen.
Diese Chancen nach Kräften zu nutzen, jene feine Linie zwischen den heftigen Interessenkonflikten, war schließlich der einzige Sinn und Zweck der profitorientierten Söldnergilde Bregan D’aerthe, und damit ihre Rettung, denn ihr Erfolg besänftigte die Priesterinnen der Spinnenkönigin. Bei der Jagd nach Drizzt könnte Tiago jedoch leicht gegen die Wünsche von Oberin Quenthel und damit auch gegen die der Herrin Lolth selbst verstoßen. Und wenn Drizzt Tiago tötete, würde Quenthel dann Bregan D’aerthe zur Verantwortung ziehen, weil die Gilde von der Jagd gewusst hatte?
Als die Elritze jetzt klar in Sicht kam, war Beniago froh, dass diese Entscheidungen bei Kimmuriel und Jarlaxle lagen und nicht auf seinen eigenen Schultern.
In jedem Fall würde Drow-Blut fließen, so viel stand fest.
Und insgeheim hoffte er, dass es vor allem das Blut des anmaßenden kleinen Tiago sein würde.
Nördlich der Insel mit dem Turm von Schiff Kurth lag ein unauffälliger kleiner Turm in den zerklüfteten Ausläufern des Grats der Welt, wo
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