Niewinter 4: Die letzte Grenze
habe das Recht, mich zu verteidigen, und mit diesem Recht beanspruche ich diese Beute!«
»Und dabei«, fuhr Kimmuriel fort, ohne seine Tirade zu beachten, »haben wir Euch vor einem weit unnachgiebigeren Zorn bewahrt, der weit weniger Interesse daran hätte, Euch weiteratmen zu lassen. Dieser Überfall hat Euch wahrscheinlich das Leben gerettet, Fürst Draygo.«
Draygo Quick versagte die Stimme. Was sollte er dem noch entgegensetzen?
»Aber wir erwarten keine Dankbarkeit, nur eine kluge Entscheidung«, fuhr Kimmuriel fort. »Wir haben Euch Deckung gewährt, und ich biete Euch mehr Einsicht in das an, was zwischen dem Schattenreich und Toril abläuft, als Drizzt Do’Urden Euch je verschaffen könnte.«
»Ihr habt mir also einen Gefallen getan, mich gedeckt und mir das Leben gerettet«, fasste Draygo Quick es skeptisch zusammen. »Und jetzt bietet Ihr mir noch ein Geschenk an. Und das alles gegen ein paar Schätze und einen Gefangenen?«
»Eigentlich hatte ich mir deutlich mehr erhofft.«
»Sprecht.«
»Wenn ich Euch meine Informationen gebe, dürfte Euch klar sein, dass unsere jeweiligen Vereinigungen, Bregan D’aerthe sowie Ihr und die anderen Fürsten von Nesseril, von unserem Bündnis stark profitieren werden.«
»Woher weiß ich, dass Ihr mich nicht belügt?«
Kimmuriels Gesicht blieb wie üblich ausdruckslos. »Hätte ich das nötig? Euer Turm steckt voller unsichtbarer Illithiden, die darauf brennen, sich an den Gehirnen der Schatten zu laben. Allein durch mein Wort seid Ihr und Eure Akolythen geschützt.«
»Die Illithiden gehorchen einem Drow?«, fragte der Hexer zweifelnd.
»Im Augenblick, ja.«
So beiläufig, wie Kimmuriel dies sagte, verflogen alle Zweifel von Draygo Quick, und er verstand, dass er kein besseres Angebot bekommen würde.
»Gut«, antwortete Kimmuriel. Erst da begriff Draygo Quick, dass der Dunkelelf seine Gedanken las.
»Ich bin innerhalb eines Zehntages zurück«, versprach Kimmuriel. »Bis dahin solltet Ihr Eure Leute zu ihrer eigenen Sicherheit in diesem Turm behalten.«
Draygo Quick wollte Einwände erheben, aber Kimmuriel drehte sich um und verschwand direkt durch die Wand.
Fürst Draygo sank auf seinen Stuhl, zutiefst erbost, aber auch zutiefst neugierig.
Kapitel 24
Nachbeben
Drizzt hatte sich verteidigungsbereit zusammengekauert. Er wusste nicht, was los war. Das Zimmer hatte kräftig gewackelt, doch der Drow konnte sich nicht vorstellen, was ein solches Beben hervorrufen mochte. Spontan dachte er an die Katastrophe, die Niewinter ausgelöscht hatte, an den Vulkan, der ihn mit seiner unglaublichen Druckwelle umgerissen hatte.
War das hier demnach eine ähnliche Naturkatastrophe?
Drizzt blieb auf den Zehenspitzen, lauschte und hielt die Augen offen, denn er wusste, dass er unter Umständen blitzschnell wegspringen musste. Womöglich würde ein neues Erdbeben die Wand aufsprengen und die Decke einstürzen lassen. Er musste schnell genug sein, um in solch einem Fall ausweichen zu können. Und vielleicht konnte er sich mit einem großen Satz tatsächlich aus Draygo Quicks bröckelnden Mauern befreien.
Aber was dann?
Bald darauf hörte der Drow draußen vor der Tür rennende Füße und Protestgeschrei, gefolgt von Ächzen und Stöhnen und dem nur allzu vertrauten Zusammensacken toter Leiber auf dem harten Boden.
»Ein Angriff«, flüsterte er, und kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, da sprang auch schon die Tür auf.
Kampfbereit spannte er sich an. Dann aber schnappte er nach Luft, und seine Gedanken überschlugen sich derart, dass er zwar einen Namen sagen wollte, aber kaum einen Laut herausbrachte.
»Die Freude ist ganz meinerseits«, sagte Jarlaxle mit einem trockenen Lächeln. »Ich habe dich vermisst, alter Freund.«
»Was? Wie?«, stotterte Drizzt. Abgesehen von allem, was diese unerwartete Begegnung zu bedeuten hatte, hatte er immerhin geglaubt, Jarlaxle wäre in Gauntlgrym umgekommen. Der Anblick dieses Drow, einer weiteren Verbindung zu längst vergangenen Zeiten, überwältigte ihn so sehr, dass er seine Erleichterung nicht für sich behalten konnte. Er sprang zu Jarlaxle und schloss ihn fest in die Arme.
»Ambergris«, erklärte Jarlaxle. »Sie ist als Einzige aus Draygo Quicks Festung entkommen und hat mich hierhergeführt.«
»Aber du bist in Gauntlgrym gestorben!«
»Bin ich das?« Jarlaxle trat einen Schritt zurück und musterte seine Arme und seinen Oberkörper. »Ich fürchte, da muss ich widersprechen.«
Jetzt beäugte Drizzt ihn
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