Niewinter 4: Die letzte Grenze
so knapp entwischt war. Er stand auf und nahm Kleider und Rüstung, sein einmaliges Schwert und den Schild zur Hand.
»Dann ist er jetzt bei seinen Gefährten«, folgerte Tiago.
»Scheint so«, sagte Ravel.
»Also gut, dann ruft alle zusammen«, verlangte Tiago. Er sprach von der speziellen Truppe, die er für genau diese Angelegenheit zusammengestellt hatte. Sie umfasste Ravels beste Zauberspinner und Krieger, auch Jearth, den Waffenmeister von Haus Xorlarrin. »Diesmal gehen wir kein Risiko ein. Der Häretiker wird uns nicht noch einmal entwischen.«
»Und Haus Xorlarrin wird am Ausgang beteiligt?«, wagte Saribel zu bemerken.
Tiago bedachte sie mit einem bösen Lächeln, das die junge Priesterin zweifellos beunruhigen würde. Er wusste genau, worauf ihre Frage abzielte. Schließlich würde sie ihrer strengen älteren Schwester, Berellip, Rede und Antwort stehen müssen. Sowohl Saribel als auch Ravel brauchten eine gewisse Zusicherung, dass auch für ihr Haus etwas dabei heraussprang. Immerhin gingen sie gerade ein erhebliches Risiko ein.
»Beteiligt?«, sagte Tiago wegwerfend. »Man wird euch als die Wegbereiter meines großen Sieges gebührend erwähnen.«
Sein Ton blieb herablassend, aber er wusste natürlich, dass diese zwei, die im Rang unter ihm standen, damit zufrieden sein würden.
Und das waren sie auch.
In der nächsten Nacht machte sich eine Schar von fast dreißig Drow und eine Handvoll Drider unter der Führung des mächtigen Yerrininae und seiner Frau Flavvor durch die Tunnel von Gauntlgrym nach Norden auf.
Die Wagen schlugen ein schnelles Tempo an. Es blieb trocken, und die Straße war hart und eben. Weder Schlamm noch Fahrrillen setzten den Rädern zu.
Zum ersten Mal seit vielen Monaten ritt Drizzt auf Andahar. Auf dem starken Rücken des Einhorns fühlte er sich großartig, wenn der Wind durch seine langen weißen Haare strich. Immer wieder glitt seine Hand zu dem Beutel mit der Onyxfigur, denn er sehnte den Tag herbei, an dem er Guenhwyvar wieder an seine Seite rufen würde.
»Geduld«, flüsterte er, um sich selbst daran zu erinnern, dass Guenhwyvar ihre Ruhe brauchte. Sie würde da sein, hatte Jarlaxle ihm versichert, und Jarlaxle irrte sich selten.
Drizzt trieb Andahar kräftiger an, galoppierte um den ersten Wagen und preschte dann voraus, um den Weg auszukundschaften. Eine Weile ließ er das Einhorn einfach rennen, ohne sich darum zu kümmern, dass er von der Spitze des Trecks aus nicht mehr zu sehen war. Endlich war er frei und ritt auf einem Weg, der ihn in die einstige Heimat bringen sollte.
Andahar kam kaum ins Schwitzen, als er mit langen, geschmeidigen Sätzen die Straße entlangdonnerte. Hinter einer Biegung erreichten sie eine lange, gerade Strecke zwischen dicken Bäumen, auf der Drizzt das Einhorn zu vollem Tempo anspornte. Andahars Nüstern waren weit gebläht, und sein Atem ging in schweren Zügen, aber das Einhorn schien bereitwillig zu gehorchen, und nun bildeten sich doch Schweißperlen auf seinen muskulösen Flanken.
Nach zwei Dritteln des Weges wurde Andahar langsamer, und Drizzt setzte sich aufrechter hin. Er passte sich dem gemächlicheren Galopp an, der schließlich in Trab überging.
Drizzt beugte sich vor und klopfte dem Einhorn dankbar und glücklich auf den Hals. Er wollte gerade wenden, als ihm etwas auffiel. Im Augenwinkel bemerkte er etwas Großes, Schwarzes, das rasch über die Wipfel zog.
Drizzt brachte Andahar zum Stehen und griff sogar nach Taulmaril, ehe er erkannte, wer ihn verfolgte.
Eine riesige Krähe landete vor ihnen auf dem Weg und verwandelte sich umgehend in Dahlia, die ihren Zaubermantel trug.
»Du hättest an einer ganzen Räuberbande vorbeipreschen können, ohne sie zu bemerken«, schimpfte die Elfe.
Drizzt grinste sie an. »Der Weg ist frei.«
Dahlia sah zweifelnd zu ihm auf.
»Dann flieg noch einmal über die Bäume«, schlug der Drow ihr vor. »Beschatte mich von oben und zeige mir, was ich übersehen habe.«
Dahlia überlegte kurz, doch dann schüttelte sie den Kopf und kam auf Drizzt zu. »Nein«, sagte sie und streckte ihm die Hand hin. »Ich reite lieber mit dir. Hinter dir.«
Drizzt zog sie hoch, und sie schmiegte sich von hinten an ihn.
»Oder unter dir«, flüsterte sie ihm anzüglich ins Ohr.
Der Drow verkrampfte sich.
»Wenn es nichts zu befürchten gibt, brauchen sie uns nicht«, sagte Dahlia.
Das war jedoch nicht der Grund für Drizzts Zögern.
»Was dann?«, fragte Dahlia, als er nicht antwortete und
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