Niewinter 4: Die letzte Grenze
auf ihren Wangen.
Da huschte eine Gestalt an Drizzt vorbei und griff ein. Artemis Entreri unterbrach Dahlias Attacke, hielt sie zurück und versuchte vergeblich, sie zu beruhigen.
»Na schön, dann suchen wir eben deinen Geist!«, fauchte Dahlia. »Damit du endlich deine geliebte, tote Catti-brie in den Armen halten kannst. Möge ihr Leichnam dein Herz für immer zu Eis erstarren lassen!«
Drizzt hob hilflos den einen Arm, denn mit der anderen Hand kniff er seine blutende Nase zusammen, während er vergeblich versuchte, diesen Ausbruch zu begreifen.
»Gut, dann können wir ja morgen aufbrechen«, sagte Entreri nach hinten gewandt, während er Dahlia gewaltsam wegschob. »Das wird bestimmt ein zauberhafter Sommerausflug.«
Am nächsten Morgen ritt Dahlia mit Entreri auf dessen Nachtmahr voran, als sie zu Kelvins Steinhügel zogen, um ihre Gefährten abzuholen.
Kapitel 27
Forellenbein und stille Träume
Schon einen Tag später verließen die sechs Kameraden Bryn Shander durch das Osttor. Sie nahmen den Ostweg, die gut befestigte, ebene Straße von der Hauptstadt von Zehn-Städte zum östlichsten Ort der Gegend, der passenderweise Osthafen hieß. Ambergris lenkte den kleinen Wagen, den sie gemietet hatten. Neben ihr saßen Afafrenfere und Effron. Sie folgten Drizzt auf Andahar, während Entreri und Dahlia auf dem Nachtmahr die Nachhut bildeten.
Osthafen lag nur ein paar Dutzend Meilen und damit einen bequemen Tagesritt entfernt. Danach würde der Weg gefährlicher und schwieriger werden, sobald sie den angeschwollenen Kanal zwischen dem Lac Dinneshire und dem Rotwassersee durchquert hatten. In Osthafen würden sie den Wagen daher stehen lassen müssen, denn dahinter war die Tundra zweifellos zu schlammig, und Drizzt rechnete damit, dass dieses Gelände selbst für Andahar und den Nachtmahr zu schwierig sein würde.
In Osthafen verbrachten sie nur eine sehr kurze Nacht, für die sie ein Zimmer für alle nahmen, in dem sie die Ausrüstung unterbringen und schlafen konnten. In der Stadt hatten sie erfahren, dass es eine Fähre gab, die sie vom Hafen auf die andere Seite des Lac Dinneshire bringen konnte, doch leider legte der Kapitän nur kurz vor Tagesanbruch an.
»Morgens hab ich zu viel mit den Fischen zu tun«, erklärte er.
Und so waren sie vor Tagesanbruch bereit, um unterhalb der dunklen Silhouette von Kelvins Steinhügel das flache, breite Gefährt zu besteigen, das in Osthafen bereitlag. Hinter Drizzts linker Schulter verschob sich der Berg, als die Fähre vom Morgenwind nach Osten geschoben wurde. Die Sonne lugte gerade erst über die Ebene, die sich vor ihnen ausdehnte, als die Fähre auch schon die lange Planke herunterließ, auf der die sechs Freunde zum Ostufer des Lac Dinneshire gelangten.
»Wollen wir ganz bis in die Berge?«, fragte Ambergris und deutete nach Süden, wo die schneebedeckten Gipfel des Grats der Welt im Morgenlicht glänzten.
»Möglich«, sagte Drizzt, dem sich bei dieser überraschenden Antwort alle zuwandten. Der Drow lenkte ihren Blick nach Norden, am Ufer des großen Sees entlang.
»Und der Elchstamm?«, fragte Dahlia. »Wolltest du nicht zu ihnen, um deine süßen Träume von Catti-brie zu nähren?«
Ihr Tonfall ließ Entreri die Augen verdrehen. Afafrenfere und Effron sahen ungläubig auf, und Ambergris sog die Luft ein, als ob sie mit einem Ausbruch rechnete.
»Aye, und die sind in den Bergen, hast du gesagt«, fügte die Zwergin hinzu und legte etwas Humor in ihre Stimme, was Drizzt nicht entging.
Er lächelte ihr dankbar zu und nickte. »Sie bleiben etwa einen Monat am Fuß der Berge«, erklärte er. »Wir wollen zu ihnen, um gewisse Gerüchte zu bestätigen oder zumindest zu hören, welche Rolle sie dabei spielen.« Er blickte noch einmal nach Norden und nickte erneut. »In ein oder zwei Tagen werden wir mehr wissen.«
»Dein Wald ist da oben?«
»Das hofft er«, murmelte Dahlia.
Drizzt ging nordwärts am Ufer entlang. Ambergris und Afafrenfere folgten dichtauf, doch Effron blieb etwas zurück, in Hörweite von Entreri und Dahlia.
»Warum folgen wir ihm dann?«, fragte Entreri. »Lass ihn doch seine Geister jagen. In der Zwischenzeit können wir herausfinden, ob es sich gelohnt hat, in dieses Zehn-Städte zu kommen. Vielleicht kann man sich hier tatsächlich verstecken, solange die Drow uns nachjagen …«
»Nein«, unterbrach ihn Dahlia und machte sich ebenfalls auf nach Norden. »Ich will dabei sein. Ich will zusehen, wenn Drizzt seine Geister findet oder
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