Niewinter 4: Die letzte Grenze
ausreichen.
Deshalb hatte Effron sich vertrauensvoll noch einmal in den Wald von Niewinter begeben und dort gründlich die verbliebenen Gefolgsleute von Tay ausgespäht, insbesondere den Lich, Valindra Schattenmantel. Die Ashmadai waren zersplittert und führerlos und stellten damit keine Gefahr für Draygo Quicks eventuelle Ambitionen in dieser Gegend dar. Effron wusste schon bald, dass sein vorheriger Bericht an Fürst Draygo der Wahrheit entsprach, denn er konnte keinen Hinweis entdecken, dass Valindra Schattenmantel noch helle Momente hatte. Gelegentlich verließ der Lich den Baumturm, streifte durch den Wald und rief dabei nach Arklem Greeth oder Dor’crae, wobei sie jedoch keinen dieser Namen richtig oder ohne irres Gestotter aussprach. Sie heulte nur schrill vor sich hin und schleuderte gelegentlich grundlos einen schwarzlila Strahl Nekromantenenergie nach einem Baum oder Vogel.
Effron ging davon aus, dass die Stadtwache von Niewinter sie schon bald erwischen und ihr den Garaus machen würde.
Daraufhin wandte er sich von Valindra und den Tayern ab, schlich jedoch weiterhin durch den Wald. Diesmal konzentrierte er sich auf Niewinter. Wann immer er im Bereich der Tore eine Bewegung bemerkte, sah er genauer hin, als würde er jederzeit mit Dahlias Auftauchen rechnen. Was aber würde er dann tun?, fragte er sich.
Würde er sich geduldig zurückhalten, wie er es Draygo Quick versprochen hatte?
Er redete sich ein, dass er dazu in der Lage war. Er musste vorsichtig sein, nachdem sein Vater, Erzgo Alegni, tot war. Mehr als einmal aber fragte er sich, ob er damit sich selbst belog.
An dem Morgen, an dem er die Stadt verlassen wollte, umrundete Effron die gesamte Stadtmauer, bis er verlassene Bereiche fand, in denen er sich in seiner Todesalb-Gestalt und mit anderen Methoden magischer Unsichtbarkeit näher heranpirschen konnte.
Am späten Vormittag hatte er einen Großteil der Stadt umkreist und sich viermal hineingewagt. Noch immer aber war ein langes Stück Mauer unerforscht. Am liebsten hätte er aufgehört und einfach die Straße nach Norden genommen. Inzwischen war er davon überzeugt, dass Dahlia tatsächlich abgereist war, wie Fürst Draygo es angedeutet hatte.
»Ich hätte dich nie für dumm genug gehalten, hierher zurückzukehren – außer an der Spitze einer Armee«, flüsterte eine Stimme hinter ihm, kurz nachdem er sich entschlossen hatte, seine Abschlussrunde fortzusetzen.
Effron erstarrte zu Eis und überlegte augenblicklich, welche Zauber er zur Verfügung hatte, um zu verschwinden oder mit Nachdruck zuzuschlagen. Er kannte diese Stimme. Vor allem aber kannte er die diabolische Wahrheit dahinter.
»Komm schon, kleiner Tiefling, wir brauchen keine Feinde zu sein«, sagte die rothaarige Frau.
»An dem Tag an der Brücke hast du aber bei meinen Feinden gestanden, wenn ich mich recht erinnere«, sagte Effron.
»Nun, ich habe nicht behauptet, dass ich dir meine Stadt kampflos überlasse«, erwiderte sie. »Ist das denn deine Absicht? Wenn ja, dann sag es bitte gleich, damit ich dich hier und jetzt erledigen kann.«
»Du unterschätzt meine Künste.«
»Du kennst die meinen«, erwiderte sie.
Effron fuhr herum, um sie anzusehen. Die Frau wirkte so schlicht und ruhig, geradezu unauffällig. Im Augenblick strahlte sie etwas Mütterliches aus, und Effron kam der Gedanke, dass eine solche Mutter ein Segen für ihn gewesen wäre. Warm und tröstlich, jemand, der ihn an sich drückte und ihm sagte, dass alles gut werden würde …
Dann lachte er über sich selbst und schüttelte diesen Gedanken ab. Das hier war Arunika. Sie war eine Teufelin, ein Sukkubus aus den Neun Höllen, der die Gestalt einer einfachen, freundlichen Frau mit roten Haaren und Sommersprossen angenommen hatte. Eine ganz normale Bürgerin von Niewinter, die ihrem Tagewerk nachging wie jeder anständige Mensch.
»Du jagst Barrabas und sein Schwert«, sagte Arunika.
Effron fiel auf, dass sie vielleicht doch nicht alles wusste.
»Was weißt du von ihm?«, fragte er. »Und von seinen Begleitern?«, fügte er rasch hinzu, wobei er sich bemühte, sich nicht zu verraten.
»Warum sollte ich dir das erzählen?«
Effron fuhr mit der Hand zwischen seine Hörner und kratzte sich die tiefroten Haare. Das war allerdings eine gute Frage.
»Ich habe Informationen, die sicher wertvoll für dich wären«, bot er schließlich an.
»Erzähl.«
»Tja, genau darum geht es hier, richtig?«
Arunika lachte ihm ins Gesicht. »Ich habe längst
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