Niewinter 4: Die letzte Grenze
sich mit mächtigen Verbündeten umgeben.«
»Tiago ist jung und voller Tatendrang«, sagte Gromph. »Er wird noch früh genug auf neue Gedanken kommen.«
»Die Spur ist heiß«, warnte Kimmuriel.
»Dann lasst sie erkalten«, erwiderte Gromph, und genau das hatte der Psioniker von ihm hören wollen.
Kimmuriel hatte bereits eine wichtige Vereinbarung mit ein paar Nesser-Fürsten getroffen, und Jarlaxle hatte aus dem Schattenreich die Nachricht geschickt, dass diese Fürsten-Gruppe, die von einem gewissen Parise Ulfbinder geleitet wurde, nach Drizzt gefragt hätte. Sie seien in Bezug auf den Abtrünnigen auffallend neugierig. Näheres hatte Jarlaxle nicht verlauten lassen, und Kimmuriel wusste auch nichts Genaues, besonders im Hinblick darauf, ob sie Drizzt Do’Urden als Feind oder als Verbündeten betrachteten.
Vorsicht und Klugheit rieten Kimmuriel, dass eine Konfrontation zwischen Tiago und Drizzt momentan nicht gut fürs Geschäft wäre, wie auch immer sie ausginge.
Jetzt konnte er mit Gromphs Segen das tun, was er für das Beste hielt, und dabei sich und Bregan D’aerthe vor dem möglichen Zorn des Ersten Hauses bewahren.
»Pah. Immerhin haben wir die Mistkerle nicht getötet. Das zählt ja wohl auch«, sagte Ambergris, als die Wagen einige Tage später in Letzthafen ihre Ladung, die Flüchtlinge und zehn Gefangene ablieferten.
Drizzt und die anderen, unter ihnen die Anführer von Letzthafen und Bauer Stuyles, reagierten zögerlich.
»Wir können sie nicht laufen lassen«, bemerkte Dorwyllan. »Sonst rennen sie prompt zu den Hochkapitänen zurück und berichten, dass wir wieder stärker werden.«
»Ganz bestimmt nicht!«, beteuerte einer der Gefangenen.
»Wir können sie aber auch nicht gegen ihren Willen hier festhalten«, sagte Drizzt. »Sie haben uns nichts getan.«
»Sie haben die Karawane angegriffen. Jedenfalls hatten sie das vor«, erinnerte ihn Ambergris. »Von Rechts wegen hätten wir sie töten können, und keiner dürfte etwas dagegen einwenden.«
Das musste Drizzt einräumen, doch er fügte ruhig hinzu: »Aber das habt ihr nicht, und das war gut so«, um das aufkeimende wütende Gemurmel um ihn herum zum Schweigen zu bringen.
»Wir könnten es immer noch«, erklärte Ambergris, die zwar die Gefangenen drüben am Wagen drohend anfunkelte, Drizzt aber gleichzeitig zuzwinkerte.
Er schüttelte den Kopf. Ihr Auftritt war wenig hilfreich.
»Luskan weiß sowieso Bescheid«, warf Artemis Entreri ein, womit er alle überraschte, die ihn besser kannten. »Lasst die Narren laufen oder setzt sie in ein Boot und werft sie den Seeteufeln vor. Das ist völlig egal.«
Die wachsende Menge diskutierte leise seine Vorschläge.
»Sie bleiben hier«, übertönte Drizzts Stimme die anderen. »Sperrt sie ein und passt gut auf sie auf. Sie sind keine Feinde. Artemis und ich reiten nach Luskan.«
»Und ich«, warf Dahlia ein.
»Dann nur ihr zwei. Lasst mich dabei aus dem Spiel«, murmelte Entreri. Er war ebenso überrascht wie verstimmt.
»Oh, nein«, stellte Drizzt klar. »Wir zwei haben da sowieso etwas zu erledigen.«
Das erstaunte Entreri. Misstrauisch sah er Drizzt an.
Der Drow legte eine Hand an seine rechte Hüfte, den Ort, wo Artemis Entreri früher seinen juwelenbesetzten Dolch getragen hatte. Er nickte.
»Weiter«, sagte der Meuchelmörder.
»Auf diesen Tag habe ich gewartet«, sagte der Drow zu Dorwyllan und den Umstehenden. »Ich habe in Luskan Kontakte. Artemis Entreri hat recht. Sie wissen, dass hier im Süden etwas vor sich geht, auch wenn ihnen vielleicht noch nicht bewusst ist, dass nicht nur Niewinter neu erstarkt, sondern auch Letzthafen. Sie haben erfahren, dass die Bauern ihre Felder um Luskan verlassen haben und nach Süden gezogen sind. Deshalb werden sie die Wahrheit bald kennen. Ihr könnt täglich mit Segeln aus Luskan vor eurem Hafen rechnen.«
»Sie werden unsere Mauern nicht überschreiten, wenn sie als Feinde kommen«, sagte Dorwyllan.
»Anfangs bestimmt nicht, solange es nur ein oder zwei Schiffe sind. Sollte es jedoch zu größeren Auseinandersetzungen kommen …« Diesen Gedanken führte Drizzt nicht weiter. Alle Anwesenden verstanden auch so, dass das mächtige Luskan Letzthafen problemlos zerquetschen konnte, wenn die Stadt der Segel das für wünschenswert hielt.
»Ich gehe als euer Botschafter in die Stadt.«
»Und wenn das schiefgeht?«, fragte Dovos Dorwintyl, der gegenwärtige Bürgermeister, der während der Rückeroberung praktisch nicht in Erscheinung
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