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Nigger Heaven - Roman

Nigger Heaven - Roman

Titel: Nigger Heaven - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walde + Graf Verlag
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Trompeten das Jüngste Gericht ankündigen, erheben sich die Weißen aus ihren Gräbern und steigen unverzüglich zum Himmel auf. Zwei Tage später bemerken die Engel, die auf ihren Himmelswänden sitzen, dicke, schwarze Wolken im Westen und verkünden sogleich, dass ein furchtbarer Sturm im Anzug ist. ›O nein‹, beruhigt sie der heilige Petrus, ›dass sind nur die Farbigen, die zum Jüngsten Gericht erscheinen.‹«
    »Meine Liebe«, meinte Mr Sumner zu seiner Frau, »zwei Tage wollen wir aber nicht auf Doktor Lancaster warten.« Ein Klingeln erübrigte in diesem Fall eine Entscheidung.
    »Da ist er«, sagte Mrs Sumner, »und sobald er abgelegt hat, wollen wir essen.«
    Das große Esszimmer war in Elfenbeinweiß und Blau gehalten; das Silber und das Porzellan glänzten auf einem mit einer Spitzendecke bedeckten Tisch. In der Mitte stand auf einem Spiegel eine blaue, geschliffene Glasschale, aus der magentafarbene Dahlien ragten.
    Mary saß zwischen Gareth Johns und Dr. Lancaster, die sie beide zum ersten Mal an diesem Abend kennengelernt hatte. Der Arzt lebte in Washington und war, wie auch ihr Vater, nur zu Besuch in New York. Er war in jeder Hinsicht so hellhäutig wie Gareth Johns. Sein Haar war feuerrot.
    Die Unterhaltung plätscherte zunächst dahin. Mr Sumner sprach aus Höflichkeit seinem Gast gegenüber von Haiti. Dies führte zu einer Diskussion über die Situation auf den Virgin Islands.
    »Es ist doch merkwürdig«, erklärte Mr Sumner, »dass das französische Haiti und die dänischen Virgin Islands unter einem amerikanischen Marineregime stehen, das alle Vorurteile der weißen Südstaatler gegenüber den Farbigen teilt.«
    »Wie ich höre, soll die strenge Anwendung des achtzehnten Zusatzartikels, zumindest seine offizielle Anwendung, eine der bedeutendsten Einnahmequellen der Inseln zerstören«, bemerkte Mr Love. »Sie wollen doch nicht behaupten«, fragte Gareth Johns indigniert, »dass dieses lächerliche Prohibitionsgesetz den Kolonien aufgezwungen wird?«
    »Aber ja doch«, versicherte Mr Love. »Wahrscheinlich noch strenger als in New York City.«
    »Ich war ein Mal auf den Virgin Islands«, fuhr Dr Love fort. »Sie wissen, dass sie nach den elftausend Jungfrauen benannt sind, die der heiligen Ursula in den Tod folgten. Kolumbus landete dort am Tag der Heiligen.«
    »Wallace Stevens hat ein Gedicht darüber geschrieben«, bemerkte Mary.
    »Sie kennen also Wallace Stevens!«, rief Gareth Johns enthusiastisch aus.
    »Nicht alles auswendig, aber das und Peter Quince am Klavier und The Emperor of Ice-Cream und …«
    » Tea! «, unterbrach sie Gareth Johns, »erinnern Sie sich doch bitte an Tea !« Mary folgte der Bitte.
    When the elephant´s-ear in the park
Shrivelled in frost.
And the leaves on the paths
Ran like rats,
Your lamp-light fell
On shining pillows,
Of sea-shades and sky-shades,
Like umbrellas in Java.
    [Die Blumen im Park verdorrten im Frost, / Und die Blätter der Pfade / Huschten wie Ratten, / Dein Lampenlicht fiel / Auf schimmernde Kissen, / Auf Farben des Meeres und des Himmels, / Wie Schirme auf Java.]
    »Nehmen Sie noch etwas Fisch?«, erkundigte sich Mrs Sumner. Gareth Johns bemerkte, dass ein Diener mit einer großen Platte sich über ihn beugte. »So etwas Gutes kann ich doch nicht ablehnen!« Dr. Lancaster benutzte diese Ablenkung, um Mary anzusprechen.
    »Waren Sie schon einmal in Washington, Miss Love?«
    »Nein, nie. Ich wollte immer gern hinfahren, aber es ergab sich nie.«
    »Nun, unser Leben dort ist abwechslungsreich und angenehm. Es gibt immer Leute von der Howard-Universität, wenn man Lust auf eine Partie Bridge oder einen Plausch hat, aber hier ist es natürlich interessanter. Harlem …«
    Mary lächelte ironisch. »Ich weiß, was Sie jetzt sagen werden – das Mekka des Neuen Negers!«
    »Ja, möglicherweise«, gab er zu. »Ist es das denn nicht?«
    »Es scheint so, nur hören wir – einige von uns – das etwas zu häufig.«
    »Uns draußen kommt es jedenfalls großartig vor, ein Traum, der wahr wurde«, sagte der Arzt und nippte an seinem Sauterne. »Eine schwarze Stadt, fast so groß wie Rom! Damit hätte vor ein paar Jahren noch niemand gerechnet. Sie haben hier alles: Geschäfte und Theater und Kirchen und Büchereien …«
    »Und Nachtlokale«, fügte Mary hinzu. »Sie hätte sie zuerst erwähnen sollen.«
    »Nun ja, sie sind wohl ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens. Ich sollte mir einige ansehen, bevor ich wieder nach Washington fahre.

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