Nigger Heaven - Roman
sollen.«
»Das geschieht Sylvia ganz recht. Wenn man bedenkt, wie sie sich mit Rumsey Meadows aufgeführt hat!« Mary erkannte die Stimme von Sergia Sawyer. »Glaubst du, dass sie es bemerkt hat?« – »Nein, sonst würde sie Lasca umbringen. Mit Waffen kann sie gut umgehen. Und hast du schon gehört, dass …«
Warum wunderte sich Mary, als sie dem leiser werdenden Gespräch nicht mehr folgen konnte, tauchte immer wieder der Name dieser Frau auf? Ihr Interesse an dieser exotischen Person wuchs. Warum war sie ihr noch nicht begegnet? Würde sie ihr gefallen?
Mary hatte ihre Suppe gegessen. Sie öffnete ein mitgebrachtes Buch und begann zu lesen. Die Kellnerin brachte ihr ein Omelette. Sie war mit der Mahlzeit fast fertig, als ihr Vater erschien.
»Ich konnte nicht warten, Dad«, entschuldigte sie sich. »Ich muss wieder zur Arbeit.«
»Ich weiß«, beruhigte er sie. »Mir war nicht klar, wie spät es ist.
Ich weiß nie, wie spät es ist.«
»Aber du hast doch eine Uhr.«
Er lächelte. »Schatz, ich sehe doch nicht auf die Uhr. Für mich ist sie nichts weiter als eine Art Schmuck, ein großer Diamant oder so etwas.«
»Lieber, alter Dad.« Sie tätschelte seine Hand. »Was machst du heute Nachmittag?«
»Ich werde eine oder zwei Schulen besuchen und Professor Deakins von der Howard-Universität treffen. Er kommt für einen Tag aus Washington D.C.«
»Dort geht es ja wieder hoch her!«, seufzte Mary.
»Genau das möchte ich mit ihm besprechen. Ich möchte seine Meinung zu diesem Wirrwarr hören. Wir haben schon reichlich Schwierigkeiten, miteinander auszukommen, aber wenn sich Weiße in unsere Probleme einmischen, ist es fast unmöglich. Du siehst besser aus, Mary. Gestern Abend kamst du mir etwas müde vor.«
»Findest du, Dad? Ich fühle mich heute wunderbar. Du kennst doch das alte Lied Die ganze Welt in meinem Krug, den Stöpsel in der Hand. Das bin ich!«
»Freut mich, das von dir zu hören.«
»Gestern war ich etwas besorgt«, gab sie zu.
»Warum denn, Mary?«
»Keine Ahnung. Eine Laune wahrscheinlich. Jetzt ist es vorbei.«
»Mach dir nicht zu viele Sorgen, Mary. Sie nützen nichts und bringen einen nur aus dem Takt.«
»Ich weiß, aber manchmal habe ich eben einen schlechten Tag.« Sie sah auf ihre Uhr. »Es ist fast zwei. Ich muss gehen …« Sie zog ihren Mantel an und umarmte ihren Vater. »Und vergiss nicht, dass ich heute Abend mit dir nach Newark gehe, Othello!«
Eine Stunde später spürte sie, dass sie wahnsinnig werden würde, falls heute wieder jemand einen Bestseller von A.S.M. Hutchinson oder Zane Gray verlangen würde. Es war ihr ein wichtiges Anliegen, den literarischen Geschmack der jungen Besucher der Bücherei zu verbessern, aber ihre diesbezüglichen Anstrengungen waren an diesem Tag vergeblich. Immer wieder hatte sie ein Buch von Sherwood Anderson oder Norman Douglas vorgeschlagen, aber ihre Empfehlungen waren mit Gleichgültigkeit und sogar Feindseligkeit aufgenommen worden. Geduldig empfahl sie, zum zehnten Mal in einer Stunde, einem Jugendlichen Jean Toomers Cane, der ihr zwar mit offensichtlichem Interesse zuhörte, aber, sobald sie ausgeredet hatte, zu ihr sagte: »Aber ich denke, ich nehme lieber Die Mine mit der Eisentür. «
»Das ist ausgeliehen«, konnte Mary erfreut mitteilen.
»Haben Sie denn etwas anderes von dem Mann, der das geschrieben hat?« Sie hatte. Sie stempelte die Karte des Jugendlichen und gab ihm den zerlesenen Band.
Als sie sich umdrehte, bemerkte sie, ohne aufzublicken, dass eine andere Gestalt seinen Platz eingenommen hatte.
»Hallo!«, sagte eine herzliche, aber unsichere Stimme, als ob der Sprecher sich unklar darüber sei, ob er willkommen war.
»Oh, Sie sind es!«, rief sie aus. »Ich freue mich so, Sie zu sehen. Ich habe keine Lust mehr, Schund verleihen zu müssen, und bin furchtbar schlecht gelaunt. Ich habe Aufheiterung dringend nötig.«
»Was sollen die Leute denn lesen?«
»Es würde meine Stimmung deutlich verbessern, wenn heute noch nach Jean Toomers Cane gefragt würde.«
»Geben Sie es mir mit. Ich wollte es immer schon lesen.«
»Aber Sie haben keine Büchereikarte. Das Buch gehört mir nicht, ich kann es nicht persönlich verborgen.«
»Dann besorge ich mir eine Karte. Wie oft darf man Bücher ausleihen?«
»Täglich, wenn Sie wollen.«
»Gut! Das wird mir die Möglichkeit geben, Sie täglich zu sehen.« Mary lachte. »Dazu brauchen Sie nicht hierherzukommen. Ich bin übrigens auch nicht immer am Ausgabeschalter.
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