Night Academy 2
Augen mit mir rumgeknutscht.«
Hennie strahlte vor Freude. »Damit hat er es wirklich wieder gutgemacht. Sie muss vor Wut gekocht haben.« Es klingelte, und wir eilten die letzten Stufen hinab. Unten blieben wir kurz stehen, denn Hennie musste nach rechts und ich nach links. »Aber das erklärt immer noch nicht, warum sich Trevor und Molly so gemein verhalten haben.«
Ich wischte ihre Bedenken einfach fort. »Mach dir keine Sorgen. Hauptsache, zwischen mir und Cam ist alles in Ordnung. Nach der Party war er so süß und supercool mit Oma, obwohl sie ihm die Hölle heiß gemacht hat.«
Ganz überzeugt wirkte Hennie nicht, aber zumindest hatte ich ihre Zweifel für den Moment zerstreut. »Wenn sich die Lage mit Anna zuspitzt, musst du mir Bescheid sagen. Abgemacht?«
Ich nickte. »Na klar.«
Auf dem Weg zum Englischkurs plagten mich leise Schuldgefühle, doch dann sah ich Trevor auf mich zukommen. Kurz ging ich mit mir ins Gericht, ob ich wirklich etwas sagen sollte, entschied mich dann aber dafür. Ich dachte an die Tränen in Esthers Augen und trat beherzt auf ihn zu.
»Ich muss mit dir reden«, sagte ich.
Er seufzte. »Hier ist kaum der richtige Ort dafür. Ich hoffe nur, dass Anna falschliegt. Wenn du wirklich mit ihm in Kontakt … «
Mit einer Geste gebot ich ihm Einhalt. Was er und Anna von mir hielten, darüber würde ich mir später den Kopf zerbrechen. Im Moment war ich vor allem wütend. »Nicht darüber. Über Esther.«
»Esther?« Er sah mich groß an. »Was soll mit ihr sein?«
»Halt dich von ihr fern. Das ist alles.«
»Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte er.
Er wandte sich zum Gehen, doch ich versperrte ihm den Weg. »Ich meine die Nummer in der Bibliothek am Wochenende. Was sollte das? Erst unterhältst du dich mit ihr, und dann lässt du sie einfach sitzen?«
»Mr Judan hat mich angerufen«, sagte Trevor. »Er wollte sich mit uns allen treffen. Was hätte ich denn tun sollen? Außerdem weiß ich auch gar nicht, was so schlimm daran ist!«
»Sie glaubt, du magst sie«, sagte ich und bohrte ihm einen Finger in die Brust. »Sie hat gemerkt, dass du sie beobachtest, und nun vermutet sie einen ganz anderen Grund dahinter.«
Trevor spielte mit dem Riemen seines Rucksacks und trat unbehaglich auf der Stelle. »Ich wollte wirklich nicht … «
»Mir ist egal, was du wolltest«, sagte ich. »Sie ist meine Freundin, und du tust ihr weh. Entweder bist du in Zukunft etwas diskreter, oder du findest einen neuen Wächter für sie. Verstanden?«
Mit diesen Worten ließ ich den sprachlosen Trevor einfach stehen.
Der Tag hatte schlecht angefangen und würde eher noch schlimmer werden. Doch in diesem Moment konnte ich mir das Grinsen nicht verkneifen.
15
N ach dem Mittagessen machte ich mich auf den Weg zu meinem Unterricht mit Barrett und Mr Fritz. Cam hatte ich den ganzen Tag noch nicht gesehen. Wahrscheinlich hockte er mit Mr Judan zusammen und plante grausame Vergeltungsschläge gegen die Irin. Eigentlich war ich froh, dass wir uns noch nicht über den Weg gelaufen waren. Ich fürchtete nämlich, dass er mir das schlechte Gewissen wegen des Telefonats mit Jack sofort ansehen würde.
Mr Fritz fing mich schon an der Tür ab. »Den Rucksack kannst du hierlassen, und nimm eine Jacke mit, Dancia. Wir gehen heute in den Wald.«
Ich war überrascht. Nach der Prügelei bei Anna war ich ganz sicher, dass wir in der Stunde heute darüber reden und vielleicht sogar philosophische Fragen aufwerfen würden, bis mir der Kopf rauchte. Ich hatte mich richtig darauf gefreut, denn den ganzen Tag hatte ich an nichts anderes denken können als an Ethan Hannigan, Jack und die Irin. Etwas Ablenkung hätte mir gutgetan.
Ich schnappte mir ein Sweatshirt und folgte Mr Fritz. Obwohl ich noch immer sauer auf Barrett war, dass er so tatenlos zugesehen hatte, konnte ich es ihm nach meinem Gespräch mit Jack nicht mehr so richtig verübeln. Alles schien hoffnungslos kompliziert, und was Barrett an jenem Abend gesagt hatte – »sie haben sich das selbst zuzuschreiben« – stimmte mit dem überein, was Jack über die Wächter und Ethan Hannigans Tod gesagt hatte.
Jedenfalls war Barrett ungewöhnlich ernst. Entschlossen und geradezu ungeduldig stürmte er mit seinen langen Beinen voran.
Schweigend liefen wir zu einer abgeschiedenen Lichtung. Über uns ragten riesige Douglasfichten in den Himmel, die kahlen Äste der Walnussbäume zitterten im Wind. Der Waldboden war so weich, dass er bei jedem Schritt nachgab.
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