Night Academy 2
Wir sprechen hier von Trevor, weißt du noch? Dem Jungen, der nie lächelt!«
»Ich habe ihn lächeln gesehen«, sagte Esther, die allmählich wieder Farbe im Gesicht bekam.
»Ja, aber höchstens ein- oder zweimal. Nicht regelmäßig.«
»Er ist unglaublich klug und liest für sein Leben gern«, erwiderte sie. »Im Englischkurs haben wir zusammen an einem Projekt gearbeitet und sind super miteinander klargekommen. Er wirkt einfach nur beängstigend. In Wirklichkeit ist er unglaublich süß.«
Ich konnte gerade noch ein Stöhnen zurückhalten. »Er passt nicht zu dir, Esther.«
»Offenbar passt niemand zu mir!«
»Du hast eben eine kleine Durststrecke«, sagte ich. »Mach dir keine Sorgen, das wird schon wieder. Stimmt’s Hennie?«
Hennie brauchte einen Moment, um zu kapieren, dass wir auf eine Antwort warteten, denn sie starrte immer noch Yashir hinterher. Oder zumindest starrte sie auf die Stelle, wo er gerade noch gewesen war. »Hä?«
»Wir reden gerade von Esthers Durststrecke«, wiederholte ich. »Ich habe ihr gesagt, sie soll sich keine Gedanken machen. Auf der Night Academy gibt es haufenweise Jungs. Sie hat nur noch nicht den Richtigen getroffen.«
Auf dem Weg zum Treppenhaus passte sich Hennie unserem Tempo an. In den Gängen wimmelte es nur so von Leuten, die alle auf dem Weg in ihre Klassenzimmer waren, teilweise mussten wir uns regelrecht vorbeidrängeln. Die hohen Decken verstärkten alle Geräusche wie eine Echokammer, sodass man sich wie in einem überfüllten Auditorium vorkam und nicht wie in einem Schulflur mit weniger als zweihundert Schülern.
»Esther, du bringst die Leute zum Lachen, in deiner Nähe fühlt man sich einfach wohl«, sagte Hennie. »Früher oder später wird sich ein Junge in dich verlieben.«
»Mir ist aufgefallen, dass du nichts über mein Aussehen gesagt hast«, sagte Esther und strich sich das Haar hinter die Ohren. »Als Nächstes muss ich mir noch anhören, ich hätte innere Werte. Als ob mich das trösten könnte.«
»Sei doch nicht albern. Mit deinen großen Augen und den tollen Haaren siehst du aus wie ein Filmstar. Außerdem bist du doch diejenige, die uns immer erzählt, wie aus Freundschaft mehr wird. Unter deinen Freunden sind so viele Jungs, bestimmt wird einer eines Tages mehr wollen.«
»Damit hilfst du mir auch nicht«, sagte Esther. »Du bestätigst mir nur, dass in mir alle nur den Kumpel sehen.«
»Ich will doch nur sagen, dass du einfach mal abwarten sollst«, sagte Hennie. »Das wird schon alles. Bis zu den Frühlingsferien werden sich die Jungs auf die Füße treten, um bei dir Chancen zu haben.«
Esther starrte nur gedankenverloren vor sich hin. Urplötzlich blieb sie stehen. »Ich hab’s.«
»Was denn?«, fragte ich und zog Hennie schnell beiseite, damit sie nicht einem der Zwölftklässler mit ihrem Rucksack einen Schlag versetzte.
»Ich brauche eine komplette Veränderung. Neue Frisur, Make-up, Klamotten … und wie ein Phönix aus der Asche werde ich als das Mädchen auferstehen, mit dem alle gehen wollen, statt sich nur mit ihr zu unterhalten.«
Ich hob die Hand, um zu protestieren, aber sie übersah mich einfach.
»Du hast es doch selbst gesagt, Hennie«, meinte sie. »Alle sehen immer nur den Kumpel in mir. Das muss sich ändern. Fragt sich nur noch, wer ich sein will. Motorradbraut? Vamp? Cheerleader? Was meint ihr?«
»Ich würde mal sagen, sei einfach du … «, begann ich.
Sie hielt sich die Ohren zu. »Sag’s nicht!«
»… du selbst«, vollendete ich.
»Das ist ja gerade das Problem«, sagte sie kleinlaut. »Ich weiß nicht mehr, wer ich bin.«
Hennie und ich tauschten besorgte Blicke.
Esther zog uns näher zu sich heran und sagte leise: »Wie leicht ich jemand anderes sein kann, ist nicht mehr normal.« Sie zeigte uns eine Haarsträhne, die sich just in diesem Moment kringelte. »Seht ihr? Richtig unheimlich. Manchmal kommt es mir vor, als spielte ich immer nur Rollen. Mich gibt es gar nicht mehr.«
»Blödsinn«, sagte Hennie, dennoch beäugte sie die lockige Strähne zwischen Esthers Fingern, als wäre es eine giftige Schlange.
»Das ist aber die Wahrheit. Ich mache bei allen auf guter Kumpel, und plötzlich bin ich auch überall nur noch der gute Kumpel. Vielleicht sollte ich das langsam mal zu meinem Vorteil nutzen. Wer sagt, dass ich nicht auch sexy sein kann?« Aus der Locke wurde eine Welle, die ihr verführerisch über die Augen fiel.
Hennie legte Esther die Hand auf den Arm. »Das ist doch nur dein Haar,
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