Night Academy 2
legte sich den einen über die Schulter und den anderen um die Hüfte. »Was ist mit deinen Schuhen passiert?«, wollte er wissen.
»Die … ähm … sind geschmolzen.«
»Stütz dich auf mich. Du kannst nicht allein laufen.«
Ich überließ es ihm, mich vorwärtszubewegen, meine Arme hingen kraftlos herunter. Irgendwie war ich verlegen, wusste nicht wie oder ob ich ihm überhaupt erzählen sollte, was geschehen war. »Mir geht es gut. Bin nur ein bisschen müde.«
»Sicher?« Er musterte mich von oben bis unten. »Was ist mit deinen Beinen?«
Die blutigen Schnitte kreuz und quer über meinen Schienbeinen konnte ich ja schlecht verbergen. »Sieht schlimmer aus, als es ist. Sind nur ein paar kleine Kratzer.«
Er hielt mich fester. »Du kannst mir nichts vormachen, Dancia. So stark habe ich dich noch nie kämpfen gespürt.«
Ich konzentrierte mich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen, denn ich schämte mich, dass alles so aus dem Ruder gelaufen war. »Du hast gewusst, dass wir kämpfen?«
»Erst, nachdem ihr losgelegt habt. Das konnte ich ja schlecht ignorieren. Mr Judan musste mir schließlich sagen, was Sache ist, sonst wäre ich dich suchen gegangen. Es war wie ein Riesenfeuerwerk der Begabungen. Der Himmel war hell erleuchtet.« Cam funkelte Barrett an. »So viel gebündelte Energie habe ich noch nie gesehen.«
»Das gehört zu ihrer Ausbildung, Cameron«, sagte Mr Fritz. »Wir mussten ihr Weiterkommen beschleunigen. Ich habe es nur sehr ungern getan, aber was sein muss, muss sein.«
Ihr Weiterkommen beschleunigen . Mr Fritz hatte behauptet, sie hätten es nur getan, um mich vor den Irin zu schützen. Dabei pushten sie mich, stellten mich auf die Probe und stärkten meine Kräfte. Wut stieg in mir auf, nur wusste ich nicht, wem sie galt.
»Sie sind jetzt fertig?«, sagte Cam zu Mr Fritz, es klang allerdings kaum wie eine Frage.
»Ja«, antwortete Mr Fritz. »Mr Anderson und ich müssen Mr Judan Bericht erstatten. Du kannst Dancia gern zurück ins Res bringen. Sie sollte sich etwas hinlegen. Es wird eine Weile dauern, bis sie wieder zu Kräften kommt.«
Auch wenn das in letzter Zeit bedenklich oft geschah, konnte ich mich immer noch nicht daran gewöhnen, wenn andere einfach so über mich verfügten, als wäre ich Luft. Ich hob die Hand und winkte wild. »Hallo! Mich gibt es auch noch. Schon vergessen?«
Mr Anderson grunzte. »Kannst du laufen?«
»Ja.«
»Gut, dann bist du ab jetzt auf dich allein gestellt.« Er setzte sich in Richtung Hauptgebäude in Bewegung.
Mr Fritz seufzte. »Natürlich, Dancia. So war das doch nicht gemeint … «
»Schon gut. Cam begleitet mich.«
Dann drehte sich Mr Fritz noch einmal zu mir um. »Ich bin sehr stolz auf dich. Daran darfst du keine Sekunde zweifeln.«
Verunsichert wich ich seinem Blick aus – wie gern hätte ich ihm geglaubt. »Danke«, murmelte ich.
»Können wir?«, fragte Cam.
»Klar.«
Barrett folgte uns auf dem Weg zum Res.
»Ich weiß nicht, was ihr euch dabei gedacht habt«, sagte Cam. »Drei gegen eine.«
»Es hätte viel schlimmer sein können«, sagte ich. »Die haben mich ja noch geschont.« Auch wenn Barrett mir ordentlich zugesetzt hatte, wusste ich, dass er noch ganz anderes hätte anrichten können.
»Schonen würde ich das nicht gerade nennen«, sagte Barrett und klang fast wieder so entspannt wie sonst. »Ich bin total platt. Für mehr als ein Streichholz wird es die nächsten Tage wohl nicht reichen.«
»Du hättest ihr nicht wehtun dürfen«, sagte Cam kalt.
»Es musste doch echt wirken.« Mit zwei Schritten hatte Barrett zu uns aufgeschlossen und ging nun neben mir.
»Was weißt du schon davon?«, murmelte Cam. »Du hast doch noch nie irgendetwas ernst genommen.«
Ich hatte Angst, dass die unterschwellige Feindseligkeit zwischen den beiden in einen offenen Streit ausarten würde, doch Barrett antwortete nicht. Er lief stumm neben mir her, und mit seinen hohen Wangenknochen und der Hakennase glich er im grauen Nachmittagslicht mehr denn je einem Raubvogel.
Nach einer halben Ewigkeit hatten wir unser Wohnheim endlich erreicht. Barrett stützte mich, während Cam im Rucksack nach seinem Ausweis kramte.
»Du bist voll im Eimer«, sagte Barrett.
»Danke«, sagte ich trocken.
Er deutete auf meine nackten Füße. »Ich schulde dir ein Paar Schuhe.«
»Nee. Ich bin nur froh, dass du mich nicht ganz in Brand gesteckt hast.«
Er legte den Kopf schief, und das lange schwarze Haar fiel ihm ins Gesicht. »Und ich finde es
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