Night Academy 2
hattest ihn noch nicht ganz umgeworfen«, brummte Mr Anderson.
Ich legte die Hände auf die Knie und stemmte mich hoch, geriet jedoch ins Taumeln. Von hinten griffen starke Hände nach mir.
»Ich sollte David holen«, sagte Mr Anderson.
»Sie ist nicht krank, nur erschöpft«, sagte Barrett über meinen Kopf hinweg.
Mr Anderson wischte sich die Stirn und hinterließ dabei einen Schmutzstreifen. »Wie kannst du das nur sagen? Hast du mal ihre Beine gesehen?«
»Ihre Beine sind nicht so schlimm. Sie ist einfach vollkommen ausgepowert. Und David braucht Energie, um zu heilen, sie kann ihm nichts mehr geben.«
Barrett hatte recht. Auch wenn ich am liebsten davongelaufen wäre, um keinen von ihnen jemals wiederzusehen, stand ich doch kurz davor, in Barretts Armen zusammenzubrechen.
»D., setz dich wieder hin. Du musst erst einmal zu Kräften kommen, bevor du irgendwo hingehst.«
Ich versuchte ihn abzuschütteln und sagte mit zitternder Stimme: »Lass mich in Ruhe. Ich bin dir doch gleichgültig. Du hast das genossen.«
Worauf Barrett mich losließ, doch meine Knie gaben nach. Er fing mich auf und legte mich vorsichtig auf den Boden. »Nein, das habe ich nicht«, sagte er. »Ich musste nur so tun, sonst hättest du mich nicht ernst genommen. Du musstest glauben, dass ich dir wehtun würde, um dich richtig zur Wehr zu setzen.«
Ich zog die Knie zur Brust und schaukelte vor und zurück, kämpfte mit dem Kloß in meinem Hals. Mit einem Mal war alles anders. Menschen, die ich für meine Freunde gehalten hatte, hatten mich angegriffen, und statt Kontrolle lehrte mich das Programm Chaos. »So habe ich mir das nicht vorgestellt«, sagte ich mit heiserer Stimme. »Jetzt, wo ich zum Programm gehöre, sollte doch alles einen Sinn ergeben.«
Barrett legte mir die Hand auf die Schulter. »Das wird leider nie passieren. Es wird höchstens alles noch verwickelter. Ich würde dir gern etwas anderes sagen, aber so ist es leider. Sorry.«
Ich sackte zusammen. Ich wollte mich noch zusammenreißen, aber meine Schultern zitterten bereits.
»Was hat sie denn?«, hörte ich Mr Anderson über mir flüstern.
»Sie wird schon wieder«, sagte Barrett. »Sie muss das nur alles verarbeiten.«
Die Sorge in ihren Stimmen war zu viel für mich. Ich verbarg das Gesicht zwischen den Knien und weinte bitterlich. Barrett täschelte mir den Rücken.
Immer wieder begann ich heftig zu schluchzen. Ich war mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Hatte Barrett, Mr Fritz, Cam, Trevor und auch mich selbst enttäuscht. Ich gehörte nicht ins Programm. Trevor hatte es von Anfang an gewusst: Ich war eine tickende Zeitbombe, die nun explodiert war.
Nach einer gefühlten Ewigkeit beruhigte ich mich schließlich. Vom vielen Weinen war ich ganz erschöpft, und meine Schultern hatten aufgehört zu zittern.
Ich drehte den Kopf zur Seite und bettete ihn auf meinen Rock. Der kalte, feuchte Stoff war angenehm kühl an meiner glühenden Wange. Ich stellte mir vor, ich wäre bei uns im Garten und jeden Augenblick käme Oma, nähme mich in den Arm und würde mich »mein liebes Kind« nennen.
Ohne den Kopf zu heben sagte ich bitter enttäuscht: »Und was geschieht jetzt mit mir? Isolationshaft?«
»Was meinst du?«, fragte Mr Fritz.
Ich brachte es nicht über mich, ihn anzusehen. Auch wenn ich wusste, dass er nur das Beste im Sinn gehabt hatte, machte es mich dennoch sauer, dass er so leichtsinnig mit meinen Gefühlen spielte. »Ihre kleine Demonstration war doch sehr erfolgreich. Abgesehen davon, dass Sie fast von einem zweihundert Jahre alten Baum erschlagen worden sind. Das hätten Sie allerdings voraussehen können.«
»Dancia, wir wollten dich doch nicht … «
Ich ließ ihn gar nicht erst ausreden. »Natürlich wollten Sie. Sie haben mich zu dritt provoziert, um herauszufinden, wie viel Schaden ich wohl anrichten würde. Und das hat ja auch wunderbar funktioniert.«
»Aber so ist es doch nicht gewesen.« Mr Fritz hockte sich neben mich. »Wir wollten dir keine Falle stellen. Nach den Vorkommnissen am Wochenende ist uns klar geworden, dass wir von dir nicht verlangen können, deine Kräfte ständig zurückzuhalten. Du wirst dich nicht damit zufriedengeben, immer nur zuzusehen, deshalb wollten wir herausfinden, was passiert, wenn du freie Bahn hast.«
»Natürlich«, spottete ich. »Das war eine Übung. Kein Beweis meiner mangelnden Kontrolle.«
»Du brauchtest Raum, um dich zu entfalten. Wir waren neugierig, wie du auf eine Herausforderung reagieren
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