Night Academy 2
Stift wirbelte immer schneller durch ihre Finger. »Dein Berater. Wie soll das denn gehen? Hast du darum gebeten oder hat er dich ausgewählt?« Ich konnte förmlich sehen, wie es in ihrem Kopf ratterte und sie nach Möglichkeiten suchte, Mr Judan auch für sich zu gewinnen.
»Er ist nicht mein persönlicher Berater. Er berät Mr Fritz in Bezug auf die Schwerpunktschüler.«
»Hmm.« Schweigend musterte sie mich eine Weile. »Du siehst furchtbar blass aus. Und er hat mich ja gebeten, dir behilflich zu sein. Also, was soll ich dir aus der Cafeteria mitbringen? Ich glaube, heute gibt es Burritos.«
Wenn die Umstände nicht so beängstigend gewesen wären, hätte ich das alles lustig gefunden. Catherine glaubte, ich hätte einen besonderen Draht zu Mr Judan, und meinte nun, wenn sie besonders nett zu mir wäre, könnte auch sie ihm näherkommen. Dabei ging es ihr gar nicht um Mr Judan, sie wollte nur ihrem Vater gefallen.
Bei jedem anderen hätte dieser armselige Plan sicher mein Mitleid erregt. Catherine rang verweifelt um die Aufmerksamkeit ihres Vaters, doch der rief höchstens an, um sie daran zu erinnern, wie wichtig es sei, Mr Judan zufriedenzustellen. Ich war mittlerweile überzeugt, dass Catherines Vater zum Programm gehörte und sichergehen wollte, dass seine Tochter auf dem gleichen Weg war. Bei ihrer unheimlichen Mathebegabung bestand eigentlich kein Grund zur Sorge. Eines Tage würde Catherine wahrscheinlich feindliche Codes knacken oder Raumschiffe mit Lichtgeschwindigkeit programmieren. Doch im Moment gab es da nur diesen Vater, der unbedingt wollte, dass Mr Judan Notiz von ihr nahm.
Mr Judan als Berater zu gewinnen, würde ihren abwesenden Vater auch nicht zurück in Catherines Leben bringen. Und wer auch nur ein Fünkchen Mitgefühl im Leib hatte, musste es total traurig finden, dass Catherine es dennoch versuchte.
Doch hier ging es um Catherine, die Zugeknöpfte.
Lächelnd lehnte ich mich ins Kissen zurück. »Wo du es sagst, merke ich auch, wie hungrig ich bin. Kannst du mir einen Burrito mit Hühnchen holen – mit Sour Cream, aber ohne Guacamole und einer extra Portion scharfer Soße, einer Schale Tortillachips und einem Glas Milch? Zum Nachtisch nehme ich, was sie haben, aber vielleicht kannst du ja noch mal kurz zurückkommen und sagen, was es so gibt.«
Mit einem gequälten Lächeln sagte sie: »Super. Ich bin gleich zurück. Leg dich nur hin.«
Freudig schloss ich die Augen. »Mach ich. Nett, dass du dich so rührend um mich kümmerst.«
Nach dem Essen schlief ich noch ein paar Stunden und humpelte dann mit zitternden Beinen in den zweiten Stock herunter. Im Gang lungerten etliche Jungs herum, und es kostete mich einige Anstrengung, so zu tun, als wäre nichts weiter, und ganz normal auf Cams Zimmer zuzusteuern. Cam saß mit dem Rücken zur Tür auf seinem Bett und nickte im Takt zu besonders kreischender Trashmusik. Ihm gegenüber saß Trevor mit einem Mathebuch auf den Knien.
»Hey, Cam.« Ich lehnte mich gegen den Türrahmen und suchte den Gang nach Lehrern ab. Während der Stillarbeitszeit waren Mädchen im Jungstrakt nämlich nicht erlaubt.
Cam drehte die Musik leiser. »Du solltest doch noch nicht aufstehen!«
Ich versuchte, seine Reaktion zu deuten. Die dunkelbraunen Augen blickten kühl und abweisend.
»Können wir uns vielleicht kurz mal allein unterhalten?«, fragte ich.
Trevors Blick wanderte von Cam zu mir. Da er kaum überrascht schien, musste Cam ihn wohl eingeweiht haben. Er krallte sich Stift und Papier und klappte das Buch zu. »Kein Problem. Ich gehe runter zu David.«
Nachdem Trevor gegangen war, deutete Cam auf seinen Schreibtischstuhl. »Setzt dich lieber, sonst kippst du noch aus den Latschen.«
Besonders besorgt klang er jedoch nicht. Ich räusperte mich. »Es tut mir leid, Cam. Ich hätte das nicht alles sagen dürfen. Du hast recht, ich war total neben der Spur.«
Er schüttelte den Kopf, und das dichte kastanienbraune Haar fiel ihm in die Augen. »Bist du dir da sicher?«
Ich schloss die Tür hinter mir, auch wenn das strengstens untersagt war, und setzte ich mich neben ihn aufs Bett. Er machte aber keine Anstalten, mich zu berühren. »Ich versuche, irgendwie mit allem klarzukommen. Esther geht es nicht gut, dann die Sache mit den Irin und nun auch noch dieser Kampf. Kannst du nicht verstehen, wie frustrierend das alles ist? Ist es dir im ersten Ausbildungsjahr nicht auch so gegangen?«
Er stand auf und stellte sich ans Fenster. »In meinem ersten
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