Night Academy 2
Schüler bedroht werden.«
»Wahrscheinlich kann man nicht beeinflussen, was die Irin tun.«
»Das stimmt, aber wir können die Gefahr möglichst gering halten. Jedenfalls ist es das, was der Hohe Rat versucht. Zumindest ich möchte das erreichen.«
Ich wusste wieder nicht, wie ich diese Bemerkung auffassen sollte, aber mir kam der Verdacht, dass sie gegen Mr Judan gemünzt war. »Also sind Sie hierhergekommen, um über die Ereignisse in Washington zu sprechen?«
»Ja, wir treffen uns immer, wenn es zu einem beunruhigenden Zusammenstoß mit den Irin gekommen ist.«
»Machen Sie sich um den Präsidenten Sorgen?«, fragte ich. »Glauben Sie wirklich, dass die Irin ihn töten wollten?«
Mr Alterir hob die Hände. »Die Unterlagen im Lagerhaus belegen das eindeutig.«
Die nächsten Worte wählte ich mit Bedacht. Auch wenn ich das Gefühl hatte, bei Mr Alterir auf Verständnis zu stoßen, wollte ich ihm nicht gleich bei unserer ersten Begegnung unter die Nase reiben, dass ich mit einem der Irin in Kontakt stand. »Aber kommt Ihnen das nicht auch etwas seltsam vor? Ich meine, warum sollten sie den Präsidenten ermorden wollen, wenn sie es doch eigentlich auf den Hohen Rat abgesehen haben? Das scheint mir keine Erfolg versprechende Strategie.«
»Der Gedanke ist mir auch schon gekommen«, sagte Mr Alterir und sah mich nachdenklich an. Ich wand mich innerlich unter seinem Blick, richtete mich dann aber gerade im Stuhl auf und rückte meine Kapuze zurecht. »Ein Anschlag auf den Präsidenten sieht unserem Freund Gregori tatsächlich gar nicht ähnlich. Er hält sich für sehr gerissen, aber will sicher nicht die Aufmerksamkeit der gesamten Polizei auf sich lenken. Ein Mordanschlag gegen eine hochstehende Persönlichkeit ist einfach nicht sein Stil.«
Gebannt beugte ich mich vor. »Woher kennen Sie ihn so gut?«
»Wir sind ein kleiner Kreis«, sagte Mr Alterir. »Es gibt nicht besonders viele mit sehr großen Kräften. Wenn du erst in unsere Ränge aufsteigst, wirst du das schon sehen. Gregori und ich sind auf die gleiche Schule gegangen. Wir kannten uns gut.«
Ich machte große Augen. Gregori war mir bislang wie eine düstere Schattengestalt vorgekommen, so fern einer realen Person, dass ich schon beinahe an seiner Existenz gezweifelt hatte. »Und nun streiten Sie seinetwegen mit dem Hohen Rat?«, fragte ich.
Mr Alterir erhob sich und machte ein paar Schritte. Er strich über die Blütenblätter einer Rose. »Gregori ist schon damals, als wir uns noch gut kannten, immer etwas unberechenbar gewesen. Doch ich hätte nie gedacht, dass er eines Tages so gefährlich werden könnte.«
»Sie glauben nicht, dass er so böse ist, wie alle sagen, nicht wahr?«, fragte ich.
Er brach die Blüte ab und hielt sie unter die Nase, um den lieblichen schweren Duft einzuatmen. »Gregori ist rücksichtslos. Und ich glaube, wenn er etwas will, dann tut er alles in seiner Macht Stehende, um es auch zu bekommen.«
Damit hatte er meine Frage allerdings noch nicht beantwortet. Also versuchte ich es mit einer neuen Taktik: »Wenn Sie Gregori auch für gefährlich halten, worum streiten Sie dann im Hohen Rat?«
Er überreichte mir die Rose und lächelte amüsiert, als wüsste er genau, dass ich ihn festnageln wollte. »Nach jedem Angriff der Irin treffen wir uns, um das weitere Vorgehen zu besprechen. In letzter Zeit hat das in der Regel dazu geführt, dass wir die Anzahl der Wächter erhöht und ihre Befugnisse erweitert haben, ohne Rücksprache mit dem Hohen Rat zu halten.«
Vorsichtig fasste ich den dornigen Stiel der Rose mit den Fingerspitzen. Mr Anderson wäre stocksauer, wenn er wüsste, dass wir uns an seinen Rosen zu schaffen gemacht hatten. »Und damit sind Sie nicht einverstanden?«
Ronald Alterir lehnte sich gegen die Verandabrüstung und zuckte die Achseln. »Mit jedem Beschluss bekommt eine gewisse Person mehr Macht. Und da frage ich mich allmählich, ob das wirklich nur Zufall ist. Eine berechtigte Frage, findest du nicht?«
22
D ie Worte von Barretts Vater spukten mir den ganzen Tag im Kopf herum. Als derjenige, der von dem Machtzuwachs der Wächter profitierte, kam mir nur Mr Judan in den Sinn. Schließlich stand er an der Spitze des Wächterprogramms. Wenn sie mehr Macht bekamen, dann galt das automatisch auch für Mr Judan. Aber was hatte Mr Alterir damit andeuten wollen? Dass Mr Judan etwas mit den Irin zu tun hatte?
Zwei Tage später hatten die Mitglieder des Hohen Rats ihr Treffen beendet und zogen mit ihren
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