Night Academy 2
und ist wahnsinnig schnell, aber bei der Suche nach dem Gift nützt ihnen das auch nichts. Vielleicht warten sie tatsächlich ab, bis wir es haben, und versuchen dann, es uns abzujagen.«
»Das lassen wir aber nicht zu«, sagte ich. Mittlerweile war mein Visier schon ganz beschlagen; ich wollte die Schutzmaske hochschieben, um es abzuwischen. Doch dazu hätte ich das ganze Ding abnehmen müssen, also ließ ich es lieber. »Wenn wir das Röhrchen haben, kann einer von euch damit zur Hütte laufen, während ich sie aufhalte.«
»Echt?«, fragte Anna. »Kannst du es mit mehreren gleichzeitig aufnehmen?«
Ich redete mir ein, dass aus Anna nicht der Spott, sondern nur die gute Anführerin sprach, die sich ein Bild über die Fähigkeiten ihrer Teamkollegen machen wollte.
»Ja, mit zweien oder dreien werde ich fertig«, sagte ich.
Anna blieb abrupt stehen, und fast wäre ich in sie hineingerannt. »Perfekt«, sagte sie.
Ich folgte ihrem Blick zu einem Dickicht in der Nähe. Ein alter Ahorn musste vor Jahren von einem Blitz getroffen worden sein, denn der Stamm war in der Mitte gespalten, und ein dicker Ast war halb abgebrochen. Durch den Neigungswinkel des Astes war darunter eine Art Unterschlupf entstanden. Ringsum waren Büsche und Brombeersträucher ins Kraut geschossen, sodass man sich dort prima verstecken oder zumindest gut gegen Angreifer verteidigen konnte.
»Dancia, du wartest mit Xavier hier, während ich die Gegend auskundschafte. Bin gleich zurück.«
Der Wald hatte sie schon halb verschluckt, da rief ich noch: »Anna!«
»Was?« Sie blieb stehen, und sah sich argwöhnisch um. »Spuck’s aus. Hier zählt jede Sekunde.«
Über der Schutzmaske hatte sich Schweiß gesammelt, den ich mit dem Unterarm abwischte. »Wie wär’s, wenn du einfach zurückgehst und Cam hinter dir herlockst? Ohne ihn sind Molly und Alisha aufgeschmissen. In der Zwischenzeit können Xavier und ich schon mal mit der Suche beginnen. Vielleicht finden wir hier ja Spuren. Wenn es Ärger gibt oder Cam auftaucht, kehren wir zurück zur Basis.«
Anna wippte auf den Ballen, während sie sich meine Idee durch den Kopf gehen ließ.
»Für mich ist das Gelände ein Klacks«, verkündete Xavier großspurig. Offenbar wurden wir alle etwas übermütig, wenn es um unsere Begabungen ging. »Schon als Kind habe ich gern überall nach versteckten Dingen gesucht.«
Anna schob sich eine Strähne aus dem Gesicht. »Wenn Molly euch findet, seid ihr am Arsch«, sagte sie trocken. »Dann kann sie in Ruhe zielen, bevor ihr sie überhaupt bemerkt.«
»Wir bleiben immer in Bewegung«, sagte ich. »Wenn sie so eine miserable Schützin ist, sind wir so auf der sicheren Seite.«
Anna überlegte einen Moment und sagte dann: »Also gut. Gebt mir einen kleinen Vorsprung, ehe ihr mit der Suche anfangt.« Und ohne ein weiteres Wort verschmolz sie mit den Bäumen.
Erleichtert atmete ich auf. Der Gedanke, hier zu warten, bis jemand vorbeikam, der uns abschießen wollte, hatte mir nicht behagt.
Xavier und ich trampelten den Boden in unserem Unterschlupf nieder, ohne uns dabei anzusehen. Der Schweiß lief ihm in Strömen in den Nacken, und er zupfte immer wieder an seiner Weste. Esther hatte mir ja gesteckt, dass er trotz seiner athletischen Figur eher unsportlich war. »Hältst du das mit dem Laufen durch?«, fragte ich.
»Muss ich wohl«, sagte er reumütig. »Ich wollte sowieso anfangen, Sport zu treiben.«
»Wo sollen wir zuerst hin?« Hoffentlich musste ich nicht die Führung übernehmen. Ich hatte nämlich keinen Schimmer, wo wir anfangen sollten.
»Dort entlang«, sagte Xavier und zeigte nach rechts. »Vorhin habe ich eine Spur bemerkt, zwar nicht von Mr Judan, aber trotzdem ganz frisch. Wahrscheinlich von heute.«
Wir warteten noch einen Moment, nickten uns dann zu und liefen los.
Xavier legte ein ziemliches Tempo vor, sprang über Stämme, Baumstümpfe und dornige Zweige. Ich hielt mich dicht hinter ihm, sah zwischendurch immer wieder auf die Uhr und den Kompass, sodass ich ungefähr wusste, in welche Richtung wir uns begaben. Allmählich gewöhnte ich mich auch an die Maske, nur dass sie meine Sicht einschränkte, machte mir noch zu schaffen. Permanent musste ich auf den Boden starren, um nicht zu stolpern. Gleichzeitig versuchte ich, den Wald ringsum im Blick zu haben, denn ich musste ja Xavier schützen. Molly konnte zwar sich und alles, was sie berührte, unsichtbar machen, aber Geräusche und Bewegungen von Sträuchern und Büschen konnte sie
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