NIGHT SHOW - Thriller (German Edition)
verbrannt.«
»Mein Gott«, stieß Linda hervor.
»Sie glauben, eine davon ist Ben Lelands Junge, Charles. Sie konnten ihn zwar nicht eindeutig identifizieren, aber er wird vermisst, und es heißt, er sei mit seinen Freundinnen dorthin gegangen, um mit ihnen rumzumachen. Bei Gott, mich würde man dort nie und nimmer nach Einbruch der Dunkelheit antreffen. Eigentlich nicht mal am helllichten Tag.«
Sie nahm die Scheine von Linda entgegen und gab ihr das Wechselgeld heraus. »Elwood hat gesagt, man weiß noch nicht, wer das Mädchen war. Larson wird sie im Leichenschauhaus anhand der Zähne identifizieren müssen.« Elsie steckte das Buch mit der Quittung in eine Tüte. »Wirklich üble Geschichte, aber das kommt eben davon, wenn man sich rumtreibt, wo man nichts zu suchen hat. Wenigstens ist das Freeman-Haus jetzt verschwunden. Das empfinde ich als wahren Segen.«
»Das kannst du wohl laut sagen«, pflichtete Linda ihr bei.
»So, ich wünsch dir noch einen schönen Tag, und lass dich bald mal wieder bei mir blicken.«
»Danke, Elsie.« Linda griff nach der Tüte. Sie winkte der Frau zu und ging zur Tür.
Draußen umschlang sie die Hitze wie eine Zwangsjacke. Sie blieb dicht an den Schaufenstern der Geschäfte und war dankbar für die Schatten, die deren Markisen spendeten, während sie die Ladenzeile entlanglief.
Charles Leland. Er war in der Schule zwei Klassen über ihr gewesen, und sie hatte ihn nur flüchtig gekannt. Allerdings konnte es sich bei ihm unmöglich um den hageren Unbekannten handeln, der sie mit der Axt angegriffen hatte. Oder waren Schminke oder eine Maske im Spiel gewesen? Verdammt! Sie hätte diesen bedrohlichen Mann nur zu gerne zusammen mit dem Haus verbrannt.
Ihr wurde klar, dass sie sich schuldig fühlen sollte. Vielleicht wäre das auch der Fall, wenn sie ihn besser gekannt hätte. Aber Elsie lag mit ihrer Einschätzung schon richtig: Er hatte dort nichts zu suchen. Es war seine eigene Schuld. Seine ganz allein.
Er musste den Schlüssel seines Vaters benutzt haben. Deshalb war die Hintertür nicht versperrt gewesen.
Linda hoffte, dass sie das weibliche Opfer nicht kannte.
An der Ecke holte sie das Taschenbuch aus der Tüte, die sie zusammen mit der Quittung zusammenknüllte und in einen Abfalleimer mit der treffenden Aufschrift HALTEN SIE CLAYMORE SAUBER! warf.
Während sie weiterging, knickte sie das Cover des Buchs. Sie schlug es in der Mitte auf und bog die beiden Hälften nach hinten durch. Anschließend wandte sie sich anderen Abschnitten zu und krümmte das Buch wieder und wieder. Als sie die nächste Kreuzung erreichte, wies der Rücken weiße Adern auf, als wäre es mehrfach gelesen worden.
Als Zugabe knickte sie noch eine Ecke des Umschlags, bevor sie das Paperback in ihre Handtasche stopfte.
An der Craven Street bog sie ab. Als sie das Haus von Hal Walker passierte, hielt sie den Blick starr auf den Bürgersteig gerichtet.
Wäre er an jenem Abend, als sie in der Bibliothek auf ihn gewartet hatte, tatsächlich aufgekreuzt ...
Aber sie konnte ihm keinen Vorwurf machen. Immerhin konnte er nicht ahnen, dass sie sich nach ihm verzehrte. Dass sie ihn wollte.
Eine Tür fiel mit einem Knall zu, und sie blieb mit wild klopfendem Herzen stehen. Er hatte sie vorbeilaufen gesehen! Ich will dich schon so lange, Linda. Seine Umarmung würde sie reinigen, all den Schmerz vertreiben und sie wieder ganz die Alte sein, so wie vor dem Erlebnis im Freeman-Haus.
»Hi, Linda.«
Sie wirbelte herum. Hals Lächeln traf sie wie ein Schlag. Sonnengebräunt und attraktiv stand er in einem T-Shirt und ausgewaschener, abgeschnittener Bermuda vor ihr. Eine goldglänzende Locke hing ihm in die Stirn. »Hi, Hal«, gab sie zurück.
»Wie geht’s dem Bein?«
»Gut, danke.«
Mit einem Zwinkern wandte er sich von ihr ab. Er flitzte zu seinem Sportwagen und stieg ein.
Lindas Lächeln verpuffte.
Das Auto raste vom Randstein weg. Am Ende des Blocks bog es links um die Ecke und verschwand aus ihrem Blickfeld.
Linda holte tief und rasselnd Luft. Sie biss die Zähne zusammen, um das Zittern ihres Kinns zu unterdrücken. Der Bürgersteig verschwamm vor ihren Augen. Sie wischte die Tränen weg, doch sogleich folgten neue.
»Wer braucht den schon«, murmelte sie. Seit dem Unfall hatte sie kaum an ihn gedacht. Wenn sie nicht so dumm gewesen wäre, an seinem Haus vorbeizulaufen ...
Er hätte alles verhindern können.
Das weiß er nicht. Und er wird es nie erfahren.
Linda fuhr sich mit dem Handrücken
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