Night Sky 1 - Sklave des Blutes (German Edition)
hinunter, stellte das Glas auf den Kristalltisch und stützte den Kopf in die Hände. Verdammt, was war los mit ihm? Was zog ihn zu dieser Frau, warum war es ihm bei ihr dermaßen schwergefallen, sich zurückzuhalten? Er wusste, dass das Blut des anderen Geschlechts wie ein unaufhaltbarer Drang, eine Droge, ein Aphrodisiakum wirkte. Sie war nur ein Mensch, hatte nichts, was die Übrigen nicht ebenso hatten und er durfte ihr genauso wenig nahe kommen wie allen weiblichen Homo sapiens. Dennoch spürte er nach wie vor ihre zarte Haut an den Fingerkuppen. Ein Gedanke reichte, um ihren unwiderstehlichen Duft nach dunklen Beeren heraufzubeschwören. Er verzehrte sich danach, ihr näherzukommen, die Lippen an ihrem Hals zu vergraben, sie ganz und gar zu inhalieren, auf der Zunge zu schmecken. Er ballte die Fäuste. Wo blieb seine Pietät? Wenn er seine Familie wertschätzte, musste er verdammt noch mal die Finger von ihr lassen.
Jonas hob den Blick und streckte vorsichtig den Rücken. Die gebrochenen Rippen und die verletzte Bauchmuskulatur heilten, zogen sich schmerzhaft zusammen, um sich ineinanderzufügen. Die linke Handinnenfläche sah schlimm aus. Er verzog das Gesicht. Damit die Heilung schneller vonstattenging, war er genötigt, sich bald zu nähren. Er horchte auf, hörte vertraute Schritte auf dem Steg und verschloss einen Teil seines Gehirns.
Ny’lane stieg lässig die Wendeltreppe herab, sein schwarz-silberner Mantel schleifte über die Stufen. Breitbeinig blieb er im Salon stehen, federte in den Knien, tat, als würde er eine Waffe ziehen und auf Jonas schießen. Nyl zog die in kleine Abschnitte rasierten Augenbrauen empor, fuhr sich über die Glatze und lachte. Sein kehliger Bass hatte Jonas gefehlt. Es war richtig gewesen, gleich zu ihm zu fliegen. Einen Daumen leger im Gürtel der schwarzen Lederhose versenkt, kam Ny’lane geräuschlos auf ihn zu, legte die Hand auf seine Schulter und trat an die Bar. Er goss sich einen Drink ein. Nyl war der verrückteste und maulfaulste Kerl, den er kannte, aber auch der sensibelste. Er nahm nicht nur Rücksicht auf Jonas’ Verletzungen, sondern musste meilenweit entfernt gespürt haben, dass er zurückgekehrt war, hatte alles liegen und stehen lassen und sich darüber hinaus der Jacht geräuschvoll genähert, damit seine Ankunft Jonas nicht überraschte. Stunden nach Mitternacht arbeitete Nyl normalerweise, obwohl er es nicht nötig hatte. Neben Ny’lanes Vermögens-Mount Everest sah der Geldberg seiner Familie aus wie einer der Twin Peak Hügel seiner Geburtshalbinsel.
Nyl nickte in Richtung seines vollen Glases mit bernsteinfarbenem Whiskey.
„Nein, danke, Nyl. Ich befinde mich längst in einem Rauschzustand.“ Der fruchtige Geruch nach Kirschen und Kakao sowie die Kupferreflexe verrieten Jonas, dass Nyl einen Single Barrel trank, was bedeutete, dass er gute Laune hatte. Kirscharoma – Ciras Antlitz versuchte, sich vor sein Blickfeld zu schieben. Mit ungewohnter Kraftanstrengung verdrängte er die Bilder.
Er hatte Nyl acht Jahre nicht gesehen und doch gab es niemanden, dem er mehr vertraute.
Ny’lane grinste wissend.
„Nein, nicht was du denkst. Ach, heilige Scheiße, ich müsste mich um meine Familie kümmern, darum, wie es weitergeht. Stattdessen habe ich den Mord an meinem Dad, die Polizei aufgrund einer Flugzeugentführung, die Fürsten wegen Übertretung der Gesetze und gleich zwei Frauen am Hals.“
Ny’lane gönnte sich einen Schluck aus dem Tumbler, die Eiswürfel klimperten. Sein Schmunzeln verbreiterte sich und er nahm die Sonnenbrille ab. Er setzte sich ihm gegenüber verkehrt herum auf einen Barstuhl, sodass das Trenchcoatleder unter der Anspannung seiner gewaltigen Muskeln knarrte. Sein Rufname passte wie Topf und Deckel – ‚Silver Angel‘. Die durch eine Anomalie hervorgerufenen schwarzen Augen mit silbrigen Punkten blitzten interessiert, auf seiner Glatze zeichneten sich verschiedenartige Lippenstiftabdrücke ab. Er roch nach Rauch und Sex, hatte literweise verbotenes Elixier im Blut, das sogar verdünnt eine erotische Wirkung auf Jonas hatte.
Jonas schüttelte den Kopf. Da er bezweifelte und längst entschieden hatte, dass Nyl ihm bei seinen Problemen mit den Frauen nicht weiterhelfen konnte, dachte er über seinen Dad nach, ließ die vergangene Woche Revue passieren.
Er spürte, wie Ny’lane in seine zugänglichen Gehirnwindungen eindrang. Die platinfarbenen Flecken in den pechschwarzen Iris funkelten, als fotografierten sie
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