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NIGHT WORLD - Engel der Verdammnis

NIGHT WORLD - Engel der Verdammnis

Titel: NIGHT WORLD - Engel der Verdammnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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tat, stockte ihr der Atem vollends. David hatte einen Gesichtsausdruck, den sie noch nie zuvor bei einem Jungen gesehen hatte, zumindest nicht, wenn er sie anschaute. Gelegentlich hatte sie diesen Gesichtsausdruck durchaus schon gesehen, wenn Jungen andere Mädchen in der Schule betrachteten, Mädchen wie Steffi Lockhart oder J. Z. Oberlin. Ein erschütterter Blick, eine zwanghafte Bewegung mit dem Hals, ein Ausdruck, der beinahe mitleiderregend war. Ein Ausdruck, als wollten sie sagen: »Ich lege mich hin, und es macht mir nichts aus, wenn du über mich hinwegläufst, Baby.«
    Und so sah David sie an.
    Augenblicklich fielen all ihre Ängste -einschließlich derer, die Amys Bemerkung in ihr ausgelöst hatten - von ihr ab. Ihr Herz hämmerte noch immer, Adrenalin pulsierte noch immer durch ihre Adern, aber jetzt empfand sie es nur noch als erregend. Als berauschende, überschäumende Vorfreude. Als hätte sie die Achterbahnfahrt ihres Lebens begonnen.
    David musste sich schütteln, bevor er sich daran erinnerte, den Gang einzulegen. Und dann warf er ihr aus den Augenwinkeln immer wieder verstohlene Blicke zu.
    »Du hast etwas gemacht mit deinem... und deinem...« Er deutete mit einer vagen Handbewegung auf seinen eigenen Kopf. Seine Hand zog Gillians Blick auf sich, eine starke, gebräunte Hand mit langen Fingern, die sehr gut aussah.
    »Ja, ich habe mir das Haar geschnitten«, sagte sie. Sie wollte unbekümmert und erfahren klingen, aber die Worte kamen zittrig heraus, mit einem kleinen Lachen am Ende. Sie versuchte es noch einmal. »Ich wollte einfach nicht mehr so jung aussehen.«
    »Autsch.« Er verzog das Gesicht. »Das ist meine Schuld, nicht wahr? Du hast gestern gehört, was Tanya und ich gesagt haben.«
    Sag ihm, du haltest schon seit einiger Zeit daran gedacht, es zu tun.
    »Ja, aber ich hatte schon seit einiger Zeit daran gedacht, es zu tun«, erwiderte Gillian. »Es ist keine große Sache.«
    David sah sie an, als wolle er ihr widersprechen. Aber es war kein missbilligender Blick. Er war vielmehr voller elektrisierter Ehrfurcht... Und David schien eine Art Entdeckung gemacht zu haben, die offenbar immer größer wurde, wann immer er sie ansah.
    »Und ich habe dich in der Schule nie bemerkt?«, murmelte er. »Ich muss blind gewesen sein.«
    »Entschuldige?«
    »Nein, nichts. Ich entschuldige mich.« Dann schwieg er eine Weile. Gillian zwang sich, aus dem Fenster zu schauen, und bemerkte, dass sie auf der Hillcrest Road waren. Schon seltsam, wie anders die Landschaft heute aussah. Gestern war sie einsam und trostlos gewesen; heute Morgen wirkte sie unschuldig, und der Schnee sah weich und behaglich aus, wie alte Kissen.
    »Hör mal«, begann David abrupt. Er brach ab und schüttelte den Kopf. Und dann tat er etwas, das Gillian absolut erstaunte. Er fuhr an den Straßenrand -soweit man bei der schmalen Straße davon überhaupt sprechen konnte - und hielt an.
    »Es gibt da etwas, das ich dir sagen muss.«
    Gillians Herz schien jetzt überall zu schlagen, in ihrer Kehle, in ihren Fingerspitzen und in ihren Ohren. Sie hatte ein traumähnliches Gefühl, als sei ihr Körper nicht länger fest, als sei sie einfach eine schwebende Masse von Herzschlägen. Ihre Sicht trübte sich. Sie... wartete.
    Aber was David sagte, war unerwartet. »Erinnerst du dich an unsere erste Begegnung?«
    »Ich - ja.« Natürlich erinnerte sie sich. Es war vor vier Jahren gewesen; sie war damals zwölf gewesen und winzig für ihr Alter. Sie hatte in ihrem Garten auf dem Boden gelegen und Schneeengel gemacht. Irgendwie kindisch, sicher, aber damals hatte Neuschnee den geradezu unwiderstehlichen Drang dazu in ihr geweckt. Und während sie mit ausgestreckten Armen auf dem Rücken gelegen und mit dem Abdruck von Engelsflügeln beschäftigt gewesen war, hatte ein Ast über ihr beschlossen, seine Ladung Schnee abzuschütteln. Plötzlich war ihr Gesicht bedeckt gewesen von feuchter, fester Kälte, und sie hatte nicht mehr atmen können. Prustend und keuchend hatte sie sich aufgerichtet.
    Und festgestellt, dass jemand sie stützte. Und dieser Jemand wischte ihr sanft das Gesicht ab. Das Erste, was ihr auffiel, als sie wieder sehen konnte, waren eine gebräunte Hand und ein schlankes, gebräuntes Handgelenk.
    Wangenknochen und dunkle, schelmische Augen.
    »Ich bin David Blackburn. Ich bin gerade dort drüben eingezogen«, sagte der Junge, während er ihr mit der Hand über das Gesicht strich. »Du solltest besser vorsichtig sein, Schneeprinzessin.

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