NIGHT WORLD - Engel der Verdammnis
Das nächste Mal bin ich vielleicht nicht gerade in der Nähe.«
Gillian hatte zu ihm aufgeblickt und das Gefühl gehabt, ihr Herz würde explodieren und aus ihrer Brust herausspringen.
Und sie war wie auf Wolken gegangen, obwohl er ihr den Kopf tätschelte, nachdem er sie losgelassen hatte. Sie war verliebt.
»Nun, damals habe ich einen falschen Eindruck gewonnen«, erklärte David. »Ich dachte, du wärst viel jünger und - hm, zerbrechlicher, als du es in Wirklichkeit bist.« Es folgte eine Pause, dann fügte er staunend und ohne sie recht anzusehen hinzu: »Aber es ist so, dass in dir so viel mehr steckt. Das habe ich gestern zum ersten Mal begriffen.«
Gillian verstand. David stand nicht umsonst in dem Ruf, ein wilder Bursche zu sein. Er mochte Mädchen, die kühn und verwegen waren. Wenn er ein Ritter gewesen wäre, hätte er sich nicht in die verwöhnte Prinzessin auf der Burg verliebt. Er hätte sich in einen weiblichen Ritter verliebt oder vielleicht in eine Räuberin, in jemanden, der das Abenteuer mit ihm teilen konnte, der genauso draufgängerisch war wie er selbst.
Natürlich hatte er auch einen starken Beschützerinstinkt. Das war der Grund, warum er Mädchen in Nöten rettete. Aber er stand nicht auf die Mädchen, die gerettet werden mussten.
»Und jetzt«, sprach David weiter, »jetzt, ich meine, du bist...«
Er hob die Hände zu einer bewundernden Geste. Und er sah sie nicht an.
In einem Augenblick perfekter Glückseligkeit dachte Gillian: Ich bin cool.
»Du bist irgendwie unglaublich«, sagte David. »Und ich komme mir richtig blöd vor, weil mir das bisher nicht aufgefallen ist.«
Gillian konnte nicht atmen. Irgendetwas war da zwischen ihr und David - eine pulsierende Elektrizität. Die Luft war so aufgeladen davon, dass sie den Druck um sich herum spüren konnte. Sie war noch nie zuvor so hellwach gewesen und hatte gleichzeitig das Gefühl gehabt, als sei der größte Teil der Welt körperlos. Nur sie und David waren real.
Und die Stimme in ihrem Kopf schien aus sehr weiter Ferne zu kommen. Hm, Libelle, wir kriegen Gesellschaft. Sie läuft gerade ein.
Gillian konnte sich nicht bewegen. Ein Wagen fuhr vorbei und machte einen Schlenker, um dem Mustang auszuweichen. Gillian konnte durch die beschlagenen Fenster des Mustangs nicht gut sehen, aber sie glaubte zu erkennen, dass die Personen in dem anderen Wagen sie anschauten.
David schien das Auto überhaupt nicht zu bemerken. Er starrte noch immer auf den Schaltknüppel, und als er zu sprechen begann, war seine Stimme sehr leise. »Ich schätze also... Was ich sagen will, ist: Es tut mir leid, wenn ich mit irgendeiner Bemerkung deine Gefühle verletzt habe. Und - ich sehe dich jetzt.«
Er hob den Kopf. Und Gillian begriff plötzlich, dass er sie küssen würde.
KAPITEL SIEBEN
Gillian verspürte Triumph, wilde Erregung - und etwas Tiefergehendes. Ein Gefühl, das sie nicht beschreiben konnte, weil es keine gewöhnlichen Worte dafür gab. David sah sie an, und es war beinahe so, als könnte sie durch seine dunklen Augen hindurch blicken. Als könnte sie in ihn hineinschauen... sehen, wie er die Dinge sah...
Was sie fühlte, war ein wenig wie eine Entdeckung, ein wenig wie ein dejä-vu und ein wenig so, als wache sie auf und begreife plötzlich, dass Weihnachten war. Oder sie fühlte sich wie ein Kind, das sich an einem fremden Ort verirrt hatte, kalt und hilflos, und das dann plötzlich die Stimme der Mutter hörte. Aber es war im Grunde anders als all diese Dinge; es war mehr. Unerwartetes Willkommen... seltsames Begreifen... der Schock, irgendwohin zu gehören...
Sie konnte es nicht ganz erklären, denn sie hatte noch nie etwas Derartiges erlebt. Sie hatte noch nie von etwas Derartigem gehört. Aber sie hatte das Gefühl, dass sie, wenn David sie küsste, alles verstehen würde, und dass es die Offenbarung ihres Lebens werden würde. Es würde geschehen - jetzt. Er rückte näher heran, nicht schnell, sondern als würde er langsam von etwas angezogen, das sich seiner Kontrolle entzog. Gillian musste den Blick senken, aber sie wich weder zurück, noch wandte sie das Gesicht ab. Jetzt war er so nahe, dass sie seinen Atem hören und ihn spüren konnte. Ihre Augen schlössen sich wie von selbst.
Sie wartete auf die warme Berührung seiner Lippen...
Und dann regte sich plötzlich etwas in ihr. Ein winziges Flüstern, so weit entfernt, dass sie es kaum hören konnte, und sie konnte nicht sagen, woher es kam.
Tanya.
Es war ein
Weitere Kostenlose Bücher