Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Night World - Gefährten des Zwielichts - Smith, L: Night World - Gefährten des Zwielichts - Night World - Soulmate

Titel: Night World - Gefährten des Zwielichts - Smith, L: Night World - Gefährten des Zwielichts - Night World - Soulmate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
Vom Netzwerk:
Schatten bewegten sie sich. Hana war davon überzeugt, dass sie jeden Augenblick ertappt werden würden. Aber niemand ertappte sie.
    Als sie nach draußen gelangten, führte sie ihn zum Fluss. Dann deutete sie flussabwärts. Sie drückte ihm den Proviant und den Wasserschlauch in die Hände und
machte weit ausholende Armbewegungen, die bedeuteten: Geh weit fort. Sehr weit fort. Sehr, sehr weit fort. Sie wollte ihm gerade mit Gebärden klarmachen, was Arno mit seinem Speer tun würde, sollte der Fremde jemals zurückkommen, als ihr auffiel, wie er sie ansah.
    Der Mond stand hoch am Himmel und war so hell, dass sie jede Einzelheit im Gesicht des fremden Jungen sehen konnte. Und jetzt schaute er sie ruhig an, mit der stillen Konzentration eines jagenden Tieres, eines Fleischfressers. Gleichzeitig war da etwas Trostloses und schrecklich Menschliches in seinen Augen.
    Hana hielt in ihrer Pantomime inne. Plötzlich schien ihr das Land ringsum sehr weit zu sein, und sie fühlte sich sehr klein. Sie hörte die nächtlichen Geräusche in einer seltsamen Intensität, das Krächzen von Fröschen und das Plätschern des Flusswassers.
    Ich hätte ihn niemals hier herausbringen dürfen. Ich bin allein mit ihm hier draußen. Was habe ich mir nur gedacht?
    Es entstand eine lange Pause der Reglosigkeit, während sie einander nur schweigend ansahen. Die Augen des Fremden waren sehr dunkel, so unergründlich und alterslos wie die der Alten Mutter. Hana konnte erkennen, dass seine Wimpern sehr lang waren, und sie nahm abermals vage wahr, dass er gut aussah.
    Er hob das Proviantpäckchen hoch, betrachtete es und warf es dann mit einer plötzlichen Geste auf den Boden.
Mit dem Wasserschlauch machte er das Gleiche. Dann seufzte er.
    Hana war wütend und schwankte zwischen Furcht und Ärger. Was tat er da? Dachte er, dass sie versuchte, ihn zu vergiften? Sie griff nach dem Päckchen mit Essen, brach ein Stück von dem erstbesten Fladen darin ab und schob es sich in den Mund. Kauend hielt sie ihm das Päckchen wieder hin. Sie deutete von dem Päckchen auf ihren Mund und sagte laut: »Du musst essen. Essen! Essen!«
    Er musterte sie gelassen. Dann nahm er das Päckchen von ihr entgegen, berührte seinen Mund und schüttelte den Kopf. Er ließ es wieder fallen.
    Er meint, dass es für ihn kein Essen ist.
    Diese Erkenntnis traf Hana wie ein Schock. Sie stand da und starrte den fremden Jungen an.
    Das Essen ist für ihn kein Essen, das Wasser ist kein Trinken. Aber Ryls Blut … das hat er getrunken.
    Blut ist sein Essen und Trinken.
    Es folgte eine weitere lange, reglose Pause. Hana hatte große Angst. Ihre Lippen zitterten und Tränen waren ihr in die Augen getreten. Der Fremde sah sie immer noch ruhig an, aber sie konnte die Reißzähne erkennen, die jetzt auf seine Unterlippe drückten, und seine Augen spiegelten das Mondlicht wieder.
    Er betrachtete ihre Kehle. Wir sind hier draußen allein … Er hätte mich jederzeit angreifen können, dachte Hana. Er könnte mich jetzt angreifen. Er sieht sehr stark
aus. Aber er hat mich nicht angerührt. Obwohl er halb verhungert ist, denke ich. Er sieht so bekümmert aus, so traurig … und so hungrig.
    Ihre Gedanken überschlugen sich wie ein Stück Borke, das man in den Fluss warf. Ihr war sehr schwindelig. Er hat Ryl verletzt … aber er hat Ryl nicht getötet. Ryl hat dagesessen und gegessen, bevor wir heute Abend alle schlafen gegangen sind. Die Alte Mutter sagte, sie werde wieder gesund werden.
    Wenn er sie nicht getötet hat, wird er mich auch nicht töten.
    Hana schluckte. Sie sah den fremden Jungen mit den leuchtenden Tieraugen an. Sie erkannte, dass er nicht zu ihr kommen würde, obwohl ein feines Zittern seinen Körper ergriffen hatte und er den Blick anscheinend nicht von ihrem Hals abwenden konnte.
    Was nutzte es, ihn halb verhungert fortzuschicken? Es ist kein anderer Stamm in der Nähe. Er wird einfach zurückkommen müssen. Und ich hatte recht mit meiner Vermutung; er will es nicht tun, aber er muss es tun. Vielleicht hat jemand ihn mit einem Fluch belegt und es so eingerichtet, dass er verhungert, es sei denn, er trinkt Blut.
    Es ist niemand sonst da, der ihm hilft.
    Ganz langsam und ohne den Fremden aus den Augen zu lassen, hob Hana das Haar an einer Seite ihres Halses hoch. Sie entblößte ihre Kehle und legte den Kopf in den Nacken.

    Hunger blitzte in den Augen des fremden Jungen auf – und dann leuchtete so schnell und so heiß etwas in diesen Augen, dass es den Hunger

Weitere Kostenlose Bücher