Night World - Gefährten des Zwielichts - Smith, L: Night World - Gefährten des Zwielichts - Night World - Soulmate
Sie würde ihm nichts mehr glauben.
»Da ist nur noch eines.« Er zögerte. »Bevor ich gehe, würdest du mir erlauben, dich anzuschauen? Deinen Hals. Ich möchte sicherstellen, dass« – ein weiteres flüchtiges
Zögern – »dass ich dich nicht verletzt habe, als ich dich angegriffen habe.«
Hannah lachte abermals, ein kurzes, scharfes, bellendes Lachen. »Für wie dumm hältst du mich eigentlich? Ich meine, also wirklich.« Sie lachte wieder und hörte einen Unterton von Hysterie in ihrer Stimme. »Wenn du etwas für mich tun willst, kannst du dich umdrehen und gehen. Geh für immer.«
»Das werde ich.« In seinem Gesicht lag eine solche Anspannung. »Ich verspreche es. Ich mache mir nur Sorgen, dass du rechtzeitig ins Haus kommst, bevor du ohnmächtig wirst.«
»Ich kann auf mich selbst achtgeben. Ich brauche deine Hilfe nicht.« Hannah wurde es von Sekunde zu Sekunde schwindeliger, aber sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. »Wenn du einfach verschwinden würdest, ginge es mir prächtig.«
Tatsächlich wusste sie, dass es ihr nicht prächtig gehen würde. Die grauen Punkte tanzten wieder vor ihren Augen. Sie würde bald das Bewusstsein verlieren.
Dann sollte ich mich besser auf den Weg zu Chess machen, dachte sie. Es war Wahnsinn, ihm den Rücken zuzudrehen, aber ein noch schlimmerer Wahnsinn wäre es gewesen, hier stehen zu bleiben, bis sie zu seinen Füßen zusammenbrach.
»Ich gehe jetzt«, sagte sie und versuchte, klar und präzise zu klingen und nicht wie jemand, der kurz vor einer
Ohnmacht stand. »Und ich möchte nicht, dass du mir folgst.«
Sie drehte sich um und marschierte los.
Ich werde nicht in Ohnmacht fallen, ich werde nicht in Ohnmacht fallen, wiederholte sie entschlossen. Sie schwang ihren Stock und versuchte, die kühle Nachtluft tief einzuatmen. Aber bei jedem Schritt schienen die Grasbüschel zu versuchen, sie zu Fall zu bringen, und die ganze Landschaft schaukelte, wann immer sie aufblickte.
Ich … werde … nicht … ohnmächtig. Sie wusste, dass ihr Leben davon abhing. Der Boden erschien ihr jetzt wie aus Gummi, als sänken ihre Füße hinein und würden dann wieder davon abprallen. Und wo war das Licht, das ihr den Weg zu Chess’ Haus wies? Es war irgendwie auf die rechte Seite gerutscht. Sie korrigierte ihren Kurs und stolperte weiter.
Ich werde nicht ohnmächtig …
Und dann schmolzen ihre Beine einfach. Sie hatte keine Beine mehr. Und der Rest von ihr fiel langsam zu Boden. Hannah gelang es, ihren Sturz mit den Armen abzufangen. Dann war alles still und dunkel.
Doch sie verlor nicht völlig das Bewusstsein. Sie schwebte in der Dunkelheit und fühlte sich schummrig, obwohl sie lag. Dann spürte sie jemanden an ihrer Seite.
Nein, dachte sie. Greif nach dem Stock. Er wird dich beißen; er wird dich töten.
Aber sie konnte sich nicht bewegen. Ihre Hand gehorchte ihr nicht.
Sie spürte, wie sanfte Finger ihr das Haar aus dem Gesicht strichen.
Nein …
Dann eine Berührung an ihrem Hals. Aber es waren nur die sanften Finger, die sachte dort über die Haut strichen, wo sie heute Abend gebissen worden war. Sie fühlten sich an wie die Finger eines Arztes, die ihren Körper ertasteten, um eine Diagnose zu stellen. Sie hörte einen Seufzer, der wie Erleichterung klang, dann verschwanden die Finger wieder.
»Du wirst wieder in Ordnung kommen.« Thierrys Stimme erreichte sie wie aus weiter Ferne. Sie begriff, dass er nicht glaubte, dass sie ihn hören konnte. Er dachte, sie sei bewusstlos. »Solange du dich während der nächsten Woche von Vampiren fernhältst.«
War das eine Drohung? Hannah verstand nicht. Sie wappnete sich gegen den stechenden Schmerz von Zähnen.
Dann spürte sie abermals seine Berührung, nur seine Fingerspitzen, die über ihr Gesicht strichen. Die Berührung war so unvorstellbar sanft. So zärtlich.
Nein, dachte Hannah. Sie wollte sich bewegen, wollte nach ihm treten. Aber sie konnte es nicht.
Und diese zarten Finger krochen weiter, zeichneten jede Kontur ihres Gesichtes nach. Mit federleichten Berührungen, bei denen sie ein Frösteln überlief.
Ich hasse dich, dachte Hannah.
Die Berührung folgte dem Bogen ihrer Augenbraue und wanderte zu ihrer Wange hinab, zu ihrem Muttermal. Hannah schauderte innerlich. Seine Finger fuhren die Linie ihres Kinns nach und bewegten sich dann zu ihren Lippen hinauf.
Die Haut dort war so empfindlich. Thierrys Finger zeichneten die Umrisse ihrer Lippen nach, die Grenze zwischen Ober- und Unterlippe. Aus
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