Night World - Gefährten des Zwielichts - Smith, L: Night World - Gefährten des Zwielichts - Night World - Soulmate
Zeit.
Heute Morgen legte sie behutsam ihre Opfergabe vor die Statue der Isis. Lotosblüten, kleine Küchlein und Bier. Dann schaute sie nach Süden und begann zu singen, um die Göttin zu wecken.
»Erwache, Isis, Mutter der Sterne,
Groß an Magie,
Herrin der ganzen Welt,
Herrscherin ihres Vaters,
Mächtiger als die Götter,
Hüterin der Wasser des Lebens,
Machtvoll im Herzen,
Isis von den zehntausend Namen …«
Sie hörte einen Schritt hinter sich und brach ab, erschrocken und verärgert.
»Es tut mir leid, habe ich dich gestört?«
Es war eine Frau, eine schöne Frau, mit langem schwarzem Haar.
»Du hast hier keinen Zutritt«, sagte Ha-nahkt scharf.
»Nur Priester und Priesterinnen …« Ihre Stimme verlor sich, als sie die Frau genauer ansah. Vielleicht ist sie eine Priesterin. Da ist etwas in ihrem Gesicht …
»Ich will nur mit dir reden«, erwiderte die Frau. Ihre Stimme war heiser und überzeugend, beinahe hypnotisierend. »Es ist sehr wichtig.« Sie lächelte, und Ha-nahkt spürte, wie sich die feinen Härchen in ihrem Nacken aufstellten.
Wenn sie eine Priesterin ist, wette ich, dass sie eine Priesterin von Set ist. Set war der bösartigste aller Götter – und einer der mächtigsten. Ha-nahkt konnte Macht bei dieser Frau spüren, da bestand kein Zweifel. Aber war sie wirklich böse? Ha-nahkt war sich nicht sicher.
»Mein Name ist Maya. Und was ich dir zu sagen habe, könnte dir das Leben retten.«
Ha-nahkt stand reglos da. Ein Teil von ihr wollte vor Maya davonlaufen, wollte Khet-hetepes holen, ihre beste Freundin. Oder noch besser, eine der ranghöheren Priesterinnen. Aber ein anderer Teil von ihr war neugierig.
»Ich sollte wirklich nicht mitten im Gebet aufhören«, begann sie.
»Es geht um den Fremden.«
Ha-nahkt stockte der Atem.
Lange herrschte Stille, dann sagte sie: »Ich weiß nicht, wovon du redest.« Sie konnte das Zittern in ihrer Stimme hören.
»Oh doch, das weißt du sehr gut. Der Fremde. Hochgewachsen, blond, gut aussehend … und mit diesen traurigen, dunklen Augen. Der Mann, den du heimlich getroffen hast.«
Ha-nahkt konnte spüren, wie sich das Zittern auf ihrem ganzen Körper ausbreitete. Sie war eine Priesterin, der Göttin versprochen. Wenn irgendjemand herausfand, dass sie mit einem Mann zusammengewesen war …
»Oh, mach dir keine Sorgen, Kleine«, sagte Maya und lachte. »Ich bin nicht hier, um dich zu verraten. Ganz im Gegenteil. Ich möchte dir helfen.«
»Wir haben nichts getan.« Ha-nahkt geriet ins Stocken. »Nur geküsst. Er sagt, er wolle nicht, dass ich den Tempel verlasse. Er wird nicht lange bleiben. Er sagt, er habe mich gesehen und er habe mich einfach ansprechen müssen.«
»Kein Wunder«, bemerkte Maya in einem gurrenden Tonfall. Sie berührte sachte Ha-nahkts Haar und Ha-nahkt rückte instinktiv von ihr ab. »Du bist ein so hübsches Mädchen. Solch ungewöhnlich helle Haut für diesen Teil der Welt. Ich nehme an, du denkst, dass du ihn liebst.«
»Ich liebe ihn«, platzte Ha-nahkt heraus, bevor sie sich selbst daran hindern konnte. Dann senkte sie die Stimme. »Aber ich kenne meine Pflicht. Er sagt, dass wir in der nächsten Welt zusammensein werden.« Sie wollte nicht mehr erzählen, nicht von den bemerkenswerten Dingen, die sie mit dem Fremden gesehen hatte, von der Art, wie sie ihn erkannt hatte. Sie waren füreinander bestimmt.
»Und du hast ihm geglaubt? Oh, mein liebes Kind. Du bist so unschuldig. Ich nehme an, das hat seinen Grund darin, dass du dein Leben in einem Tempel verbringst.« Sie sah sich nachdenklich um, dann richtete sie den Blick wieder auf Ha-nahkt. Ein bedauernder, ernster Ausdruck trat in ihre Züge.
»Es ist furchtbar für mich, dir das sagen zu müssen«, fuhr sie fort. »Aber der Fremde liebt dich nicht. In Wahrheit ist er ein sehr böser Mann. In Wahrheit ist er überhaupt kein Mann. Er ist ein Urdämon und er will deine sa stehlen.«
Oh Isis, dachte Ha-nahkt. Sa war der Atem des Lebens, die magische Kraft, die es einem gestattete zu leben. Sie hatte von Dämonen gehört, die sie stehlen wollten. Aber sie konnte es von dem Fremden nicht glauben. Er wirkte so sanft, so freundlich …
»Es ist wahr«, sagte Maya entschieden. Sie sah Ha-nahkt von der Seite an. »Und du weißt, dass es wahr ist, wenn du darüber nachdenkst. Warum sonst sollte er dein Blut kosten wollen?«
Ha-nahkt zuckte zusammen und errötete. »Woher weißt du …?« Sie brach ab und biss sich auf die Unterlippe.
»Du triffst ihn bei Nacht am
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