Night World - Gefährten des Zwielichts - Smith, L: Night World - Gefährten des Zwielichts - Night World - Soulmate
Hannah den Atem.
Sie hatte keine zusammenhängende Antwort von Maya erwartet … Aber sie hatte eine bekommen. Und sie verstand. Maya hatte ihr Leben der Aufgabe gewidmet, Hannah und Thierry voneinander fernzuhalten. Ihr langes Leben. Unendlich viele tausend Jahre. Wenn sie an diesem Punkt verlor, wurde ihr Leben sinnlos.
»Du weißt nicht, was du sonst tun sollst«, flüsterte Hannah langsam, als sie begriff.
»Oh, die Pressekonferenz ist zu Ende. Ich kann viele Dinge tun – das wirst du noch herausfinden. Ich bin es leid, mit dir herumzuspielen, Butterblümchen.«
Hannah ignorierte die Drohung – und den beleidigenden Kosenamen. »Aber es wird dir nichts nutzen«, sagte sie, ehrlich verwirrt, als erörterten sie und Maya, ob sie zusammen einkaufen gehen wollten oder nicht. »Du wirst mich töten, sicher, das verstehe ich. Aber es wird dir
nicht helfen, Thierry zu gewinnen. Er wird dich nur umso mehr hassen … Und er wird einfach darauf warten, dass ich zurückkomme.«
Maya kniete sich neben den Rucksack und stöberte darin. Jetzt schaute sie zu Hannah auf und lächelte – ein seltsames, träges Lächeln. »Wird er das?«
Hannah betrachtete diese roten Lippen und hatte das Gefühl, als gösse ihr jemand Eiswasser über den Rücken. »Du weißt, dass er es tun wird. Es sei denn, du tötest ihn ebenfalls.«
Die Lippen verzogen sich abermals zu einem Lächeln. »Eine interessante Idee. Aber nicht ganz das, was ich im Sinn hatte. Ich brauche ihn lebend; er ist nämlich mein Preis. Wenn du gewinnst, brauchst du auch einen Preis.«
Hannah wurde innerlich immer kälter. »Er wird warten.«
»Nicht, wenn du nicht zurückkommst.«
Und wie willst du das arrangieren?, dachte Hannah. Gott, vielleicht wird sie mich hier am Leben erhalten … gefesselt und am Leben, bis ich neunzig bin. Bei diesem Gedanken schlug eine Welle erstickender Angst über ihr zusammen. Hannah schaute sich um und versuchte, sich vorzustellen, wie es wäre, ihr Leben an diesem Ort zu verbringen. An diesem kalten, dunklen, schrecklichen …
Maya brach in Gelächter aus.
»Du kommst nicht dahinter, oder? Nun, ich werde dir helfen.« Sie ging zu Hannah hinüber und ließ sich auf
die Knie nieder. »Sieh dir das an. Sieh es dir an, Hannah.«
Sie hielt ihr einen ovalen Handspiegel vor. Im gleichen Moment richtete sie die Taschenlampe auf Hannahs Gesicht.
Hannah schaute in den Spiegel – und schnappte nach Luft.
Es war ihr Gesicht … Aber auch wieder nicht ihr Gesicht. Für einen Moment konnte sie den Finger nicht auf den Unterschied legen – sie konnte nur daran denken, dass es Hanas Gesicht war, das Gesicht Hanas von den Drei Flüssen. Und dann begriff sie.
Ihr Muttermal war fort. Oder … beinahe fort. Sie konnte noch immer einen Schatten davon erkennen, wenn sie den Kopf zur Seite drehte. Aber es war fast bis zur Unsichtbarkeit verblasst.
Gott, ich sehe gut aus, dachte Hannah benommen. Ihr war zu schwindelig für Eitelkeit oder Bescheidenheit. Dann wurde ihr klar, dass es nicht nur die Abwesenheit des Muttermals war, was ihr solche Schönheit verlieh. Selbst in dem unnatürlichen Strahl der Taschenlampe konnte sie erkennen, dass sie blass war. Ihre Haut war cremefarben, beinahe durchscheinend. Ihre Augen wirkten größer und leuchtender. Ihr Mund schien weicher und sinnlicher zu sein. Und ihr Gesicht hatte ein undefinierbares Etwas …
Ich sehe aus wie Poppy. Wie Poppy, das Mädchen mit
dem kupferroten Haar. Der Vampir. Wortlos sah sie Maya an. Mayas rote Lippen dehnten sich zu einem Lächeln. »Ja. Ich habe Blut mit dir getauscht, als ich dich letzte Nacht aufgegriffen habe. Deshalb hast du so lange geschlafen. Es ist dir wahrscheinlich nicht bewusst, aber es ist Nachmittag. Und du verwandelst dich bereits. Ich schätze, ein weiterer Blutaustausch … vielleicht zwei … Ich will nichts überstürzen. Ich kann schließlich nicht zulassen, dass du stirbst, bevor du ein Vampir wirst.«
Die Welt um Hannah herum drehte sich. Sie ließ den Kopf schwach gegen den Pfosten fallen und starrte Maya an.
»Aber – warum ?«, flüsterte sie beinahe flehend. »Warum willst du mich zum Vampir machen?«
Maya stand auf. Sie ging zu ihrem Rucksack und schob den Spiegel vorsichtig hinein. Dann zog sie etwas anderes heraus, etwas, das so lang war, dass es aus dem Rucksack herausgeragt hatte. Sie hielt es hoch.
Ein Pflock. Ein schwarzer hölzerner Pflock, wie ein Speer, ungefähr so lang wie Mayas Arm. Er hatte ein schönes, spitzes
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