Night World - Gefährten des Zwielichts - Smith, L: Night World - Gefährten des Zwielichts - Night World - Soulmate
wollte sich gerade umdrehen und wieder hineingehen, als sie das Kratzen hörte.
Es kam von oben. Vom Dach. Sie blickte auf und erlebte einen Schock, den nur diese besondere Spezies hervorrufen konnte. Vom Dach hing eine Fledermaus.
Eine Fledermaus. Eine Fledermaus.
Eine riesige Fledermaus. Sie hing kopfüber. Ihre ledrigen schwarzen Flügel waren um den Körper geschlungen, und in ihren kleinen roten Augen spiegelte sich das Licht, während sie Hannah ansah.
Wilde Gedanken schossen Hannah durch den Kopf, alles im Bruchteil einer Sekunde. Vielleicht ist es nur Dekoration. Nein, sei kein Idiot, sie lebt. Vielleicht ist es jemand, der mich bewachen soll. Gott, vielleicht ist es Thierry …
Aber die ganze Zeit über wusste sie Bescheid. Und als der Augenblick der Lähmung verstrich und sie wieder die Kontrolle über ihren Körper hatte, holte sie tief Luft, um zu schreien.
Doch sie bekam keine Chance, auch nur einen Laut von sich zu geben. Mit einem Geräusch wie ein Regenschirm, der geöffnet wurde, entfaltete die Fledermaus plötzlich ihre Flügel und stellte eine überraschend große Spanne schwarzer Membran zur Schau. Im selben Moment schien etwas wie ein Blitz Hannah zu treffen. Ein
blendendes Aufwallen purer mentaler Energie. Sie sah Sterne und dann wurde alles um sie herum dunkel.
Irgendetwas tat weh.
Mein Kopf, dachte Hannah langsam. Und mein Rücken.
Tatsächlich tat ihr jeder Knochen im Leib weh. Und sie war blind – oder sie hatte die Augen geschlossen. Sie versuchte, sie zu öffnen, aber nichts veränderte sich. Sie spürte, dass sie blinzelte, aber sie konnte rein gar nichts sehen.
Schwärze. Absolute, vollkommene Schwärze.
Ihr wurde bewusst, dass sie noch nie zuvor echte Dunkelheit gesehen hatte. Bei Nacht zeigte sich in ihrem Schlafzimmer immer ein diffuses Licht am oberen Rand ihrer Vorhänge. Draußen schienen der Mond oder die Sterne, und wenn es bewölkt war, konnte man den Widerschein menschlicher Lichter sehen, wie schwach sie auch sein mochten.
Dies war anders. Dies war massive Dunkelheit. Hannah stellte sich vor, dass sie spüren konnte, wie die Dunkelheit auf ihr Gesicht drückte, wie sie schwer auf ihrem Körper lastete. Und wie weit sie die Augen auch öffnete oder wie angestrengt sie um sich schaute, sie konnte nicht einmal den schwächsten Schimmer sehen, der die Dunkelheit durchbrach.
Ich werde nicht in Panik geraten, sagte sie sich.
Aber es war hart. Sie kämpfte gegen eine instinktive Angst, die in ihrem Gehirn aus einer Zeit noch vor der Steinzeit verwurzelt war. Alle Menschen gerieten in absoluter Schwärze in Panik.
Atme einfach, sagte sie sich energisch. Atme. Okay. Jetzt. Du musst hier raus. Eins nach dem anderen. Bist du verletzt? Sie konnte es nicht erkennen. Sie musste die Augen schließen, um ihren eigenen Körper spüren zu können. Als sie es tat, wurde ihr bewusst, dass sie aufrecht saß und sich instinktiv zusammenkauerte, um sich gegen die Dunkelheit zu schützen.
Okay. Ich glaube nicht, dass ich verletzt bin. Ich werde versuchen aufzustehen. Ganz langsam.
Und das war erst der Moment, der ihr einen richtigen Schock versetzte.
Denn sie konnte nicht aufstehen. Sie konnte nicht.
Sie konnte die Arme bewegen und sogar die Beine. Aber als sie versuchte, sich zu erheben oder ihre Position auch nur geringfügig zu verändern, bohrte sich etwas in ihre Taille und hielt sie fest.
Mit einem Gefühl des Grauens legte Hannah die Hände auf ihre Taille und spürte die raue Oberfläche eines Seiles.
Ich bin gefesselt. Ich bin gefesselt …
In ihrem Rücken war etwas Hartes. Ein Baum? Sie griff hastig hinter sich. Nein, kein Baum – zu regelmäßig. Hoch, aber rechteckig. Irgendeine Art von Pfosten.
Das Seil war offensichtlich viele Male um ihre Taille gebunden worden, so fest, dass es ihr ein wenig den Atem abschnürte. Sie war unentrinnbar an den Pfosten gefesselt. Und dann war das Seil irgendwo über ihr oder weit hinter ihr festgemacht – sie konnte mit den Fingern keinen Knoten entdecken. Es fühlte sich an wie ein sehr starkes, sehr stabiles Seil. Hannah wusste ohne Frage, dass sie sich nicht würde hinauswinden können oder es würde aufzerren können.
Auch der Pfosten wirkte sehr stabil. Der Boden unter Hannah bestand aus Stein.
Ich bin allein, dachte sie langsam. Sie konnte ihren eigenen hektischen Atem hören. Ich bin ganz allein … Ich bin hier in der Dunkelheit gefesselt. Ich kann mich nicht bewegen. Ich kann nicht weg.
Maya hat mich hierher
Weitere Kostenlose Bücher