Night World - Retter der Nacht
normalen Jungen in etwas, das Poppy noch nie zuvor gesehen hatte. In eine andere Rasse der menschlichen Art.
Seine Augen blitzten silbern auf und sein ganzes Gesicht nahm den Ausdruck eines Raubtiers an. Aber Poppy bemerkte das kaum. Sie starrte nur auf seine Zähne.
Nein, nicht einfach Zähne, Reißzähne. Er hatte Eckzähne wie eine Raubkatze. Lang und gebogen mit spitzen, scharfen Enden.
Sie glichen überhaupt nicht den künstlichen Vampirzähnen aus Plastik, die man im Kostümladen kaufen
konnte. Sie sahen sehr stark, sehr scharf und sehr real aus.
Poppy schrie.
James hielt ihr den Mund zu. »Wir wollen doch nicht, dass die Schwester wiederkommt.«
Als er die Hand wegnahm, stammelte sie: »Oh nein, oh nein …«
»Und was ist mit all den vielen Malen, bei denen du gesagt hast, dass ich deine Gedanken lesen kann, erinnerst du dich?«, fuhr James fort. »Oder wenn ich Dinge hören konnte, die du nicht gehörst hast, oder mich schneller bewegen konnte als du?«
»Oh nein.«
»Es ist wahr, Poppy.« Er hob den Plastikstuhl hoch und verdrehte eines seiner Metallbeine. Er tat es geschmeidig und mühelos. »Wir sind stärker als die Menschen.« Er drehte das Bein wieder gerade und stellte den Stuhl hin. »Wir können im Dunkeln besser sehen. Wir sind für die Jagd geschaffen.«
Poppy gelang es endlich, einen klaren Gedanken zu fassen. »Mir ist es egal, was du alles kannst«, sagte sie schrill. »Aber du kannst kein Vampir sein. Ich kenne dich, seit du fünf Jahre alt warst. Und du bist jedes Jahr älter geworden, genau wie ich. Erkläre mir das bitte mal.«
»Alles, was du zu wissen glaubst, ist falsch.« Als sie ihn nur anstarrte, seufzte er wieder. »Alles, was du über
Vampire zu wissen glaubst, hast du aus Büchern oder Filmen. Und all das ist von Menschen geschrieben worden, das kann ich dir garantieren. Niemand aus der Nachtwelt würde das Geheimnis lüften.«
»Die Nachtwelt? Was soll das sein? Wo soll das sein?«
»Die Welt der Nacht ist kein Ort, eher eine geheime Gesellschaft - für Vampire, Hexen und Werwölfe. Ich werde es dir später erklären«, sagte er ernst. »Sieh es im Moment einfach so - ich bin ein Vampir, weil meine Eltern Vampire sind. Ich bin als einer geboren worden. Wir sind Lamia.«
Alles, woran Poppy denken konnte, waren Dr. und Mrs Rasmussen mit ihrer Luxusvilla und ihrem goldenen Mercedes. »Deine Eltern?«
»Lamia ist ein altes Wort für Vampire, aber für uns bedeutet es, dass wir als Vampire geboren wurden.« James ignorierte sie. »Wir werden geboren und altern wie Menschen - außer dass wir den Alterungsprozess aufhalten können, wann immer wir wollen. Wir atmen. Wir spazieren am Tag umher. Wir können sogar richtige Nahrung essen.«
»Deine Eltern«, wiederholte Poppy schwach.
Er schaute sie an. »Ja, meine Eltern. Was meinst du, warum meine Mom Innenarchitektin ist? Nicht etwa wegen des Geldes. Auf diese Weise trifft sie viele Menschen, genau wie mein Dad, der Psychiater der High Society. Sie brauchen nur ein paar Minuten allein mit
jemandem zu sein - und die Menschen erinnern sich hinterher nie mehr daran.«
Poppy rutschte unbehaglich hin und her. »So, und du trinkst also auch menschliches Blut, wie?« Sogar nach allem, was sie gesehen hatte, konnte sie es nicht aussprechen, ohne halb zu lachen.
James betrachtete die Schnürsenkel seiner Sneakers. »Ja, das tue ich«, sagte er leise. Dann schaute er ihr direkt in die Augen.
Seine Augen waren aus purem Silber.
Poppy lehnte sich in ihr Kissen zurück. Vielleicht war es einfacher, ihm zu glauben, denn das Undenkbare, Unvorstellbare war bereits früher an diesem Abend über sie hereingebrochen. Die Wirklichkeit war auf den Kopf gestellt worden. Mal ehrlich, was machte es da schon aus, wenn sie James seine unglaubliche Geschichte abnahm?
Ich werde sterben, und mein bester Freund ist ein Blut saugendes Monster, dachte sie.
Der Streit war damit vorbei und Poppy hatte keine Kraft mehr. Sie und James sahen einander schweigend an.
»Okay«, sagte sie schließlich und fasste damit alles zusammen, was ihr gerade klar geworden war.
»Ich habe dir das nicht nur erzählt, um es loszuwerden.« Seine Stimme klang immer noch gedämpft. »Ich sagte, ich könnte dich retten, erinnerst du dich?«
»Flüchtig.« Poppy blinzelte matt. Dann schreckte sie hoch und fragte scharf: »Mich retten? Wie?«
Er schaute ins Leere. »Genauso, wie du dir das vorstellst.«
»Jamie, ich kann nicht mehr klar denken.«
Sanft, ohne sie
Weitere Kostenlose Bücher