Night World - Retter der Nacht
entwickelst. Die Krankenschwester wird deiner Mutter sagen, worauf sie achten soll.«
Als Erstes rief Poppy James an. Er war sofort am Telefon und fragte: »Wie fühlst du dich?«
»Schwindlig. Aber ziemlich gut.« Poppy flüsterte, weil ihre Mutter direkt vor der Tür stand und mit der Schwester sprach. »Ich darf nach Hause.«
»Ich komme heute Nachmittag vorbei«, versprach James. »Ruf mich an, wenn du mal eine Stunde allein bist. Und Poppy - erzähle Phil nicht, dass ich komme.«
»Warum nicht?«
»Das erkläre ich dir später.«
Ihre Heimkehr war ein wenig seltsam. Cliff und Phil waren da. Alle waren supernett zu ihr und versuchten gleichzeitig, so zu tun, als sei alles in Ordnung. Poppy hatte gehört, wie die Krankenschwester ihrer Mutter geraten hatte, alles so normal wie möglich ablaufen zu lassen.
Als ob ich Geburtstag hätte, dachte Poppy benommen. Geburtstag und gleichzeitig das Abitur bestanden. Dauernd klingelte es an der Tür und neue Blumensträuße wurden gebracht. Poppys Schlafzimmer glich einem Blumenladen.
Phil tat ihr leid. Er sah so erschüttert aus und war gleichzeitig so tapfer. Sie wollte ihn trösten, wie sie ihre Mutter getröstet hatte. Aber womit?
»Komm mal her«, befahl sie ihm und entschied sich für den direkten Angriff. Als er gehorchte, umarmte sie ihn fest.
»Du wirst dieses Ding besiegen«, flüsterte er. »Ich weiß, dass du es schaffst. Keiner hat so viel Lebenswillen wie du. Und niemand ist so stur.«
In diesem Moment erkannte Poppy, wie schrecklich sie ihn vermissen würde.
Als sie ihn losließ, war ihr richtig schwindlig.
»Vielleicht legst du dich besser hin«, schlug Cliff sanft vor. Poppys Mutter half ihr ins Bett.
»Weiß Dad Bescheid?«, fragte sie, während ihre Mutter im Zimmer herumging und ein paar Sachen wegräumte.
»Ich habe gestern versucht, ihn zu erreichen, aber die Leute bei seinem letzten Radiosender sagten mir, dass er nach Vermont gezogen ist. Sie wissen nicht, in welche Stadt.«
Poppy nickte. Typisch Dad. Er war immer unterwegs. Er war Discjockey, wenn er sich nicht gerade als Maler oder Zauberer versuchte. Er und ihre Mutter hatten sich getrennt, weil er in keinem dieser Dinge sehr gut war - oder jedenfalls nicht gut genug, um viel zu verdienen.
Cliff war das genaue Gegenteil von ihrem Vater: verantwortungsbewusst, diszipliniert, ein harter Arbeiter. Er passte perfekt zu ihrer Mom und zu Phil. So perfekt, dass Poppy sich in ihrer eigenen Familie manchmal wie eine Außenseiterin fühlte.
»Ich vermisse Dad«, sagte sie leise.
»Ich weiß. Manchmal geht es mir genauso«, antwortete ihre Mutter überraschend. Dann fuhr sie zuversichtlich fort: »Wir werden ihn finden, Poppy. Und sobald er von deiner Krankheit erfährt, wird er kommen.«
Poppy hoffte es. Sie glaubte nämlich nicht, dass sie noch einmal eine Gelegenheit bekommen würde, ihn zu sehen - nachdem es geschehen war.
Erst ungefähr eine Stunde vor dem Abendessen bekam Poppy die Chance, James anzurufen. Ihre Mutter hatte sich hingelegt, und Cliff und Phil waren aus dem Haus, um etwas zu erledigen.
»Ich bin gleich da«, versprach James. »Ich lasse mich selbst ins Haus.« Zehn Minuten später kam er in Poppys Zimmer.
Poppy war seltsam schüchtern. Das Verhältnis zwischen James und ihr hatte sich geändert. Sie waren nicht mehr nur gute Kumpel.
Sie begrüßten sich nicht einmal mehr mit einem einfachen »Hallo«. Sobald er eingetreten war, trafen sich ihre Blicke und versanken für einen endlosen Moment ineinander.
Wie immer, wenn sie James ansah, zog sich Poppys Herz schmerzhaft zusammen. Doch diesmal mischte sich in dieses Gefühl eine unvorstellbare Freude. James liebte sie. Sie konnte es an seinen Augen erkennen.
Warte mal, flüsterte ihr die Stimme der Vernunft zu. Nichts überstürzen. Er mag dich, okay, aber er hat nie gesagt, dass er in dich verliebt ist. Das ist ein Unterschied.
Halt den Mund, befahl Poppy der Stimme der Vernunft. Laut fragte sie: »Warum durfte Phil nicht wissen, dass du kommst?«
James warf seine Windjacke über einen Stuhl und setzte sich auf Poppys Bett. »Ich wollte diesmal nicht wieder unterbrochen werden«, antwortete er beiläufig. »Was machen die Schmerzen?«
»Sie sind einfach weg!« Poppy lachte. »Ist das nicht komisch? Ich bin in der letzten Nacht kein einziges Mal aufgewacht. Und da ist noch etwas. Ich fange an, die Gedanken anderer Menschen zu lesen.«
James lächelte leicht. »Das ist gut. Ich hatte mir schon Sorgen
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