Night World - Retter der Nacht
Zeit für richtige Lügen. Alles, nur um Phil zufriedenzustellen und James die Möglichkeit zu geben, endlich von hier abzuhauen.
»Ich weiß, dass Poppy schwer krank ist«, begann er. »Ich habe einen Artikel über die Krankheit im Internet gefunden. Deshalb war ich hier, okay? Sie tut mir leid. Ich habe wirklich kein romantisches Interesse an Poppy. Sie ist eine Freundin, ein Kumpel, mehr nicht. Aber sie fühlt sich besser, wenn ich so tue, als ob sie mir mehr bedeutet.«
Phillip zögerte und sah ihn durchdringend und misstrauisch an. Dann schüttelte er langsam den Kopf. »Befreundet zu sein ist eine Sache, aber es ist falsch, sie hinters Licht zu führen. Am Ende wird ihr dieses Vorspiegeln falscher Tatsachen nicht helfen können. Und ich bin noch nicht einmal sicher, ob es ihr jetzt etwas hilft. Sie sah eben ziemlich schlecht aus.«
»Schlecht?«
»Ja, blass und erschüttert. Du kennst Poppy. Du weißt, wie sehr sie sich manchmal aufregen kann. Du solltest nicht mit ihren Gefühlen spielen.« Er verengte die Augen und fuhr fort: »Vielleicht wäre es besser, wenn du sie eine Zeit lang nicht siehst. Nur um sicherzugehen,
dass sie keinen falschen Eindruck bekommt und später tief enttäuscht ist.«
»Was auch immer«, antwortete James. Er hörte gar nicht mehr richtig zu.
»Gut«, sagte Phil. »Wir haben also eine Vereinbarung. Aber ich warne dich. Wenn du dich nicht daran hältst, wirst du dein blaues Wunder erleben.«
James hörte immer noch nicht zu. Das war ein Fehler.
Poppy lag im dunklen Krankenhauszimmer und lauschte auf den Atem ihrer Mutter.
Du schläfst nicht, dachte sie. Und ich schlafe auch nicht. Du weißt, dass ich wach liege, und ich weiß, dass du …
Aber sie konnten nicht miteinander reden. Poppy wünschte sich verzweifelt, sie könnte ihrer Mutter erzählen, dass alles wieder gut werden würde. Aber wie sollte sie das tun? Sie konnte James’ Geheimnis nicht verraten. Und selbst wenn sie es dennoch tat, würde ihre Mutter ihr nicht glauben.
Ich muss einen Weg finden, dachte Poppy. Ich muss einfach! Und dann wurde sie schrecklich müde. Es war der längste Tag in ihrem Leben gewesen, und sie war angefüllt von fremdem Blut, das bereits seinen seltsamen Zauber auf sie ausübte. Sie konnte nicht … konnte ihre Augen nicht mehr offen halten.
Einige Male kam die Nachtschwester herein, um nach
ihr zu sehen. Aber Poppy wachte nie richtig auf. Zum ersten Mal seit Wochen störten keine Schmerzen ihre Träume.
Am nächsten Morgen wachte sie auf und fühlte sich schwach und verwirrt. Schwarze Pünktchen tanzten ihr vor den Augen, als sie sich aufsetzte.
»Bist du hungrig?«, fragte ihre Mutter. »Man hat dir ein Frühstückstablett hingestellt.«
Der Geruch von Rührei verursachte Poppy Übelkeit. Aber da ihre Mutter sie besorgt beobachtete, spielte sie mit dem Essen auf dem Teller, bevor sie sich waschen ging. Im Badezimmerspiegel untersuchte sie die Seite ihres Halses. Erstaunlich, es war keine Spur mehr von einer Wunde zu sehen.
Als sie aus dem Badezimmer kam, weinte ihre Mutter.
Keine Tränenströme, kein heftiges Schluchzen. Sie tupfte sich nur die Augen mit einem Taschentuch ab.
Poppy ertrug es nicht mehr. »Mom, wenn du dir Sorgen darüber machst, wie du es mir sagen sollst - ich weiß es.«
Der Satz war heraus, ehe sie darüber nachgedacht hatte.
Entsetzt riss ihre Mutter den Kopf hoch. Sie starrte Poppy an, während noch mehr Tränen in ihre Augen traten. »Du weißt es, Liebling?«
»Ich weiß, was ich habe und wie schlimm es ist«, fuhr Poppy fort. Wenn das die falsche Strategie war, war es
jetzt zu spät. »Ich habe gelauscht, als ihr beide, du und Cliff, mit den Ärzten gesprochen habt.«
»Oh mein Gott.«
Was soll ich sagen?, überlegte sie. He, Mom, mach dir keine Sorgen, denn ich werde nicht sterben? Ich werde zu einem Vampir. Hoffe ich jedenfalls. Ich kann nicht sicher sein, denn manchmal schafft man die Umwandlung nicht. Aber mit etwas Glück werde ich in ein paar Wochen Blut trinken.
Wenn sie es sich recht überlegte, hatte sie James gar nicht gefragt, wie lange es dauern würde, bis sie sich verändert hatte.
Ihre Mutter atmete in tiefen Zügen. »Ich möchte, dass du weißt, wie sehr ich dich liebe, Poppy. Cliff und ich werden alles tun - hörst du, alles -, um dir zu helfen. Im Moment sieht er sich klinische Testergebnisse an. Es wird auf diesem Gebiet viel geforscht. Wenn wir nur ein wenig Zeit herausschinden können, bis ein neues Mittel …«
Poppy
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