Nightshifted
versteht mich, der versteht mich so richtig. Ich habe eine
Menge Probleme, Dinge, die du nicht einmal ansatzweise begreifen könntest. Das
ist alles wirklich verdammt kompliziert.«
Er zog eine Augenbraue hoch und grinste schief. Aber
ich konnte einfach nicht aufhören: »Versteh mich nicht falsch, es war echt
lustig, und die Chemie hat auch gestimmt, klar, aber â¦Â«
Ich starrte ihn an und verlor den Faden. Zwischen uns
bestand eine Anziehungskraft, die der Schwerkraft in nichts nachstand, das
stimmte. Aber wenn ich die Erde war, dann war er der kühle und distanzierte
Mond. Licht schon, aber keine Hitze â und ich mochte es nun einmal schön warm.
»Du bist ein Arzt, ich bin eine Krankenschwester, und somit ist das Ganze
einfach keine gute Idee.«
Die Schnellbahn kam ruckelnd zum Stehen.
»Ich denke, du musst hier raus«, meinte er. Dann
stand er auf, ging aber nicht Richtung Tür.
»Stimmt. Bis dann.« Ich verlieà den Zug und war schon
fast auf der Treppe, als plötzlich Ashers Stimme hinter mir erklang: »WeiÃt du,
eigentlich bin ich gar kein Arzt.« Ich drehte mich um und sah zunächst nur
seinen Anzug, der sich von den milchig weiÃen Wänden abhob. Nach einem
schnellen Blinzeln stellte ich fest, dass er hell glühte.
Erschrocken holte ich Luft. »Und ⦠was bist du
dann?«, fragte ich bedächtig.
»Ich kann ein Arzt sein. Ich kann eine Menge Dinge
sein. Allerdings ziehe ich es vor, einfach ich selbst zu sein.« Mit einem
schnellen Schritt überwand er die Distanz zwischen uns. »Sieh mich an, Edie.«
Ich gehorchte. Nur sechs Treppenstufen entfernt
herrschte das Tageslicht. Er konnte also kein Vampir sein. Ich legte eine Hand
an die Brust und drückte meinen Ausweis an meine Haut.
Ganz langsam verwandelte sich Ashers Gesicht in die
Züge eines Menschen, den ich nicht kannte. In seinen braunen Augen tauchten
blaue Sprenkel auf, bis das Braun schlieÃlich völlig vom Blau verdrängt wurde
wie Gewitterwolken nach einem Sturm. Seine Haut nahm den Teint eines
Skandinaviers an, und sein Kiefer verformte sich, bis er breit und kantig war.
»Ich glaube, ich bin letzte Nacht einem Verwandten
von dir begegnet«, meinte ich nur.
»Wirst du mir jetzt verraten, wo du arbeitest?«,
fragte er.
»Auf Y4 .«
»Das passt«, nickte er. Innerhalb eines Augenblicks
wurde er wieder zu dem Asher, den ich kannte.
»Soll das heiÃen, dass du jetzt ich sein kannst, wenn
dir gerade danach ist?«, wollte ich wissen. Wieder dachte ich an die Gina mit
den blutigen Wattebäuschen in den Augen, wie sie auf dem Boden gelegen hatte.
»Ãh ⦠nein. Obwohl ich es versucht habe, erst in dem
Klub und später auch noch ein paarmal. Als ich festgestellt habe, dass es nicht
geht, hat mich das erst schockiert, aber dann fand ich es faszinierend. Und als
ich dann erfahren habe, dass du einfach nur dadurch geschützt warst, dass dein
Dienstausweis in der Nähe war â¦Â«
»Willst du mir damit sagen, dass es dir bei der Sache
also eigentlich gar nicht um mich ging?«
»Du warst eine Neuheit.«
Träumt nicht jedes Mädchen davon, das einmal zu
hören? »Na groÃartig. Gute Nacht, Asher. Oder guten Morgen, oder welche
beschissene Tageszeit für dich gerade herrscht. Ich bin zu müde für diesen
Mist.« Damit wollte ich die letzten Treppenstufen hinter mich bringen, nur weg
von ihm.
»So war das nicht gemeint, Edie«, rief er mir
hinterher. »Stell dir doch mal vor, wie überrascht ich in dieser Nacht war. Ich
dachte, du wärst so etwas wie ein seltenes Tier, sozusagen ein Einhorn für
Gestaltwandler â jemand, dessen Geist nicht gezähmt werden kann. Als mir klar
wurde, dass du in einem Krankenhaus arbeitest, und zwar wahrscheinlich genau in jenem Krankenhaus und eben
das der Grund ist, warum ich mich nicht in dich verwandeln konnte ⦠na ja, du
kannst dir sicher denken, wie enttäuscht ich war.«
Wütend wirbelte ich zu ihm herum. »Wie wäre es denn,
wenn du dir mal vorstellst, wie enttäuscht ich war? Da kommt ein Typ wie du daher, interessiert
sich für mich, wir haben grandiosen Sex, und dann bin ich plötzlich nicht mehr
gut genug?«
Er schaute mich an wie ein verblüffter Hund und
konnte es offensichtlich wirklich nicht begreifen. Und ich hatte auch keine
Lust, es ihm zu erklären â dass Frauen wie ich nie Typen wie ihn
Weitere Kostenlose Bücher