Nightshifted
war für sie ⦠nun ja.« Sie
verstummte.
Wir waren noch zwei Haltestellen von dem Bahnhof
entfernt, an dem wir aussteigen mussten, und ich wollte unbedingt das Ende der
Geschichte hören. »Was passierte dann?«
»Dann wurden wir gefangen genommen und getrennt, und
es war ich, die an die Tyeni verfüttert wurde.«
»Aber â¦Â« Während wir sie angezogen hatten, hatte ich
das meiste von ihr zu sehen gekriegt. Sie hatte noch alle GliedmaÃen, Finger
und Zehen. Solange sie keinen Lungenflügel oder eine Niere eingebüÃt hatte, war
ich mir nicht sicher, was sie verloren haben konnte.
»Fütterung hat nicht immer etwas mit Zähnen zu tun.
Und nicht alle Bisse hinterlassen Narben«, erwiderte sie kryptisch.
»Was soll das jetzt wieder heiÃen?«
»Ich möchte lieber nicht darüber sprechen.«
Der Zug kam schwankend zum Stehen, und ein Mann
bestieg den Waggon, kam den Gang herunter und setzte sich gezielt uns
gegenüber. Er musterte uns beide mit einem anzüglichen Blick. Anna zischte ihn
kaum hörbar an, und plötzlich beschloss er, dass ihm die Sitze an der anderen
Tür doch besser gefielen.
»Wie hast du das gemacht?«, wollte ich wissen.
»Das war leicht«, meinte sie, sagte aber nichts
weiter.
Â
Der Zug entlieà uns an
unserer Haltestelle, und wir gingen in den kalten Winterabend hinaus. Zusammen
tappten wir zu dem Apartmentkomplex, in dem Mr. November gewohnt hatte. »Wie
lautete sein voller Name?«, fragte ich Anna. Das konnte hilfreich sein, falls
ich wieder mit der Vermieterin sprechen musste, aber natürlich nur, wenn er ihn
auch hier benutzt hatte.
»Yuri Arsov«, verkündete sie, während sie gelassen
neben mir herlief. Durch die Kleidung war ihre katzenhafte Geschmeidigkeit
etwas gehemmt, doch sie lieà trotz Kapuze immer noch ständig den Blick über die
StraÃe huschen.
Dicke, träge Schneeflocken fielen vom Himmel. In
einer anderen Zeit und an einem anderen Ort hatte das Mädchen, das da neben mir
herschlenderte, vielleicht vor einem Zarenpalast gespielt und sich im
schützenden Dunkel der Nacht mit den Kindern anderer Tageslichtagenten eine
Schneeballschlacht geliefert.
Wir erreichten das Haus, und ich klingelte. Diesmal
würde es eine echte Herausforderung werden, der Vermieterin unser Anliegen zu
erklären, es sei denn, Anna konnte bei ihr auch diese Zischnummer abziehen.
Ich klingelte noch einmal. Keine Antwort.
»Sie ist sehr alt«, erklärte ich entschuldigend. Dann
drückte ich probeweise gegen die Tür, und sie öffnete sich. Ein schlechtes
Zeichen. »Ich glaube, es ist hier nicht sicher, Anna.«
»Wo genau hat er gewohnt?«, fragte sie mit einem
Blick zu mir. Ihre Augen glühten im Dunkel der Kapuze wie zwei Kohlestückchen.
»Welches Stockwerk? Welches Zimmer?«
Einen Moment lang intensivierte sich ihr Blick, sie
sah fast schon durch mich hindurch, und dann war sie verschwunden und stürmte
schneller die Treppe hinauf, als ich ihr folgen konnte.
Hastig jagte ich ihr hinterher. »Anna? Anna, warte!«
Hatte sie gerade meine Gedanken gelesen? Blöderweise hatte ich meinen
Dienstausweis mit all seinen schützenden Eigenschaften zuhause gelassen.
Als ich das oberste Stockwerk erreichte, stand Mr.
Novembers Tür offen, und Anna war bereits drin.
»Ich wusste, dass ich mich an seinen Geruch erinnern
würde.«
Leise schloss ich die Tür hinter mir. Sie hatte den
Schrank im Flur geöffnet, stand auf seinem Schlafsack, und hatte das Gesicht
zwischen seinen Hemden vergraben. Dann riss sie eines nach dem anderen vom
Bügel und reichte sie mir. »Nimm die.«
»Was zum â¦Â«, setzte ich an. Aber sie lieà mich stehen
und schlich weiter durch den Flur. »Anna, nicht â¦Â«
SchlieÃlich warteten in Mr. Novembers Schlafzimmer
noch immer die Mädchen auf uns.
Kapitel 28
Â
Seit ich als
Krankenschwester auf Y4 arbeitete, hatte ich es aufgegeben, manche Fragen zu stellen: Woher
kommen Vampire? Was passiert mit der Kleidung eines Werwolfs? Warum entstammen
einige Zombies anscheinend der haitianischen Magie, während andere typische
Horrorfilmuntote sind?
Aber über gewisse Dinge werde ich mir wohl immer den
Kopf zerbrechen. Nämlich über die Dinge, die mich erst dann nicht mehr
beschäftigen würden, wenn ich wohl endgültig innerlich tot war. Dann hätte mich
die Arbeit mit
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